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Eine Burkiniträgerin mit Kind an einem Strand bei Marseille.

Foto: Reuters

Der Burkini bleibt in Frankreich umstritten. Der Conseil d’État, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, suspendierte zwar Ende August ein kommunales Burkiniverbot an der Côte d’Azur mit dem Argument, eine Ganzkörperbekleidung stelle am Strand keine Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung dar. Diese Woche hat das Verwaltungsgericht von Bastia (Korsika) aber ein Burkiniverbot im Ort Sisco gutgeheißen. Mitte August war es dort zu einem Streit zwischen Maghrebinern und Korsen gekommen, dessen Ursprung ein Burkini gewesen sein soll. Das Gericht in Bastia urteilte daher, dass ein Verbot gerechtfertigt sein könne, um den Frieden zu gewährleisten.

Außerhalb Frankreichs gibt es weiter Kritik an den Verboten. Diese kommt vor allem aus dem englischsprachigen Raum, wo die Religion nicht, wie in Frankreich, eine reine Angelegenheit der Privatsphäre ist. Die New York Times schaltete sich Anfang September direkt ein, indem sie Musliminnen zu einer Reaktion aufrief. Über tausend Frauen antworteten.

Dina, eine 23-jährige Studentin aus dem belgischen Gand, meinte: "Als der Burkini aufkam, war ich glücklich für meine Schwester, die in den Ferien war und mit ihren Kindern endlich am Strand spielen konnte." Die Designerin Hajet berichtete über das Kopftuchtragen in Lyon: "Man beleidigt mich, man bespuckt mich in der Metro, im Bus und der Schule. Ich habe Angst, bald einen gelben Halbmond auf meinem Kleid tragen zu müssen, wie der Davidstern für die Juden vor nicht allzu langer Zeit." Die Architekturstudentin Charlotte aus Toulouse teilte wiederum mit, sie habe sich erkundigt: "An den Orten, an de nen der Burkini verboten wurde, haben die Hunde das Recht zu schwimmen. Ich bin schockiert, dass die Hunde mehr Rechte als verschleierte Frauen haben."

Kein beliebiger Badeanzug

Das konnte in Frankreich nicht unwidersprochen bleiben. Premier Manuel Valls griff selbst in die Tasten. Der für seinen strikten Laizismus bekannte Sozialist weist das Bild eines Landes zurück, das Frauen unterdrücke. Er kritisiert, dass in dem US-Blatt nur Kopftuchträgerinnen zu Wort kämen. "Die immense Mehrheit der Musliminnen erkennt sich in einem ultrarigorosen Islam nicht wieder", so der Ex-Bürgermeister der Pariser Immigrantenvorstadt Evry, laut dem alle Französinnen gleich welcher Religion "an der Gleichheit von Mann und Frau festhalten. Der Burkini ist kein beliebiger Badeanzug. Er ist eine Provokation des radikalen Islam, der sich im öffentlichen Raum auszubreiten sucht!"

Das Burkiniverbot stigmatisiere dagegen keine Bürgerinnen und schränke auch nicht die Kultusfreiheit ein: "Wir setzen uns für die Freiheit ein. Es ist die Freiheit der Frauen, nicht unter dem Joch einer machistischen Ordnung zu leben. Der Körper der Frauen braucht nicht versteckt zu werden, um ihn vor einer wie auch immer gelagerten Versuchung zu schützen", so Valls. "Durch eine unglaubliche Verdrehung wird der Burkini als Mittel zur Frauenbefreiung hingestellt."

Dass Valls so empfindlich reagiert, hat nicht nur mit seinem Temperament und dem nahenden Präsidentschaftswahlkampf zu tun. Während das Schleierverbot an Schulen und Ämtern oder der Burka-Bann in Frankreich breit akzeptiert sind, spaltet der Burkini die Feministinnen. Zudem ließ sich Frankreich von den Amerikanern noch nie gerne in Sachen Freiheit belehren. Heikel ist die Frage auch, weil die umstrittensten Burkini-Pressebilder aus einer unglücklichen Nähe zum Terrorort von Nizza stammten. Dort wie in Paris bleiben heute US-Touristen fern, was im Reiseland Frankreich einige Nervosität bewirkt. (Stefan Brändle aus Paris, 7.9.2016)