An sich ist das nur ein Randthema – und ein ziemlich oberflächliches noch dazu: Wie wird der Ministerrat, die wöchentliche Sitzung der Bundesregierung, inszeniert, wer tritt wann vor die Medien, wie wird kommuniziert? Wie das gehandhabt wird, sagt aber sehr viel über die Verfasstheit der Koalition aus. Deren Zustand ist der allgemeinen Wahrnehmung nach jämmerlich. Die Stimmung, und auch das gehört zur Regierungsarbeit, ist im Keller.

Daran tragen beide Seiten Schuld. Die ÖVP stichelt ständig und versucht die SPÖ zu boykottieren, wo es nur geht. Das tägliche Gezänk um die Notverordnung ist lächerlich. Wenn es der Regierung nicht einmal gelingt, sich auf einen Zeitpunkt, wann die Notverordnung in Kraft treten soll, zu einigen, und wenn es unterschiedliche Interpretationen des bereits vorliegenden, angeblich akkordierten Entwurfs gibt, dann stellt diese Koalition sich und ihren Koordinatoren ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.

Es sollte eigentlich eine einfach zu befolgende Grundregel des politischen Marketing sein, dass man in einer heiklen Frage wie dieser, wo es auch darum geht, die Grenzen zu schließen und Flüchtlinge abzuweisen, gemeinsam und geeint auftritt und nicht weiter die eigene Glaubwürdigkeit untergräbt und damit der Kritik von links und rechts Tür und Tor öffnet. Stattdessen wird der Disput, der offensichtlich auch ideologisch bedingt ist, in aller Öffentlichkeit zelebriert.

Aktuell hat Bundeskanzler Christian Kern eine ziemliche Steilvorlage geliefert, was die Sabotage des Gemeinsamen und des letzten verbliebenen Rests an Fairness in der Koalition betrifft. Seine Neugestaltung des Pressefoyers läuft darauf hinaus, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in der medialen Wahrnehmung aussteigen zu lassen und aus dem ehemals gemeinsamen Auftreten eine One-Man-Show zu machen, die völlig auf den Kanzler fokussiert ist. Die Unverschämtheit, mit der Kern das durchgezogen hat, brachte den Koalitionspartner auf die Palme. Seine Vorgangsweise, die Ergebnisse des Ministerrats den Medien schon im Alleingang zu referieren, noch ehe die Sitzung überhaupt begonnen hat, macht Kerns Ankündigung, das ministerielle Zusammenkommen künftig als gemeinsame Arbeitssitzung ohne Störung von außen gestalten zu wollen, für den Koalitionspartner nicht unbedingt plausibel. So macht man sich Feinde, so vergiftet man das Klima.

Keine Frage, auch in der ÖVP sitzen – selbst in Regierungspositionen – Trolle, die nichts unversucht lassen, um Streit zu säen. Aber Parteichef Mitterlehner kann man zugutehalten, sich auch gegen den Rat vermeintlich wohlmeinender Einflüsterer in der eigenen Partei um ein konstruktives Miteinander mit Kern bemüht zu haben. Der Vizekanzler wird nun tief in der Motivationskiste wühlen müssen, um mit neuem Elan in die Regierungsarbeit zurückkehren zu können.

Kern tut sich mit seinem scharfen Kurs gegen die ÖVP selbst keinen Gefallen. Wenn er etwas umsetzen will – und daran will und soll die Regierung doch gemessen werden –, braucht er auch den guten Willen des Koalitionspartners. Oder sind die Weichen ohnedies bereits in Richtung baldiger Neuwahlen gestellt? In den vergangenen Wochen und Tagen hat die Regierung jedenfalls zielstrebig den Eindruck vermittelt, sie befinde sich bereits im Wahlkampf – gegeneinander und ganz ohne Beteiligung der Opposition. (Michael Völker, 7.9.2016)