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Wichtig ist, was fehlt: Das iPhone 7 hat keine Miniklinkenbuchse mehr.

Foto: BECK DIEFENBACH / REUTERS

Am Mittwochabend bestätigte Apple offiziell, was Brancheninsider schon vor Monaten in Erfahrung gebracht haben: Mit dem iPhone 7 wird der klassische Miniklinkenstecker gestrichen. In Zukunft erfolgt die Kophfhöreranbindung über den Lightning-Anschluss oder gleich drahtlos, für bestehende Kopfhörer muss ein Adapter verwendet werden. Eine Entscheidung, die bei vielen für ungläubige Verwunderung sorgt, für die Apple aber natürlich diverse Argumente parat hat.

Antike Technologie

"Der Audiostecker ist mehr als 100 Jahre alt", betont Apple-Vizepräsident Greg Joswiak gegenüber Buzzfeed. Die letzte große Innovation habe er vor 50 Jahren erlebt, und das war in Form einer Verkleinerung auf die aktuell bei Smartphones genutzt Miniklinke. "Das ist ein Dinosaurier, es ist Zeit das hinter uns zu lassen". Freilich ist der Umstand, dass eine Technologie alt ist, noch kein sonderlich guter Grund, diese abzulösen, immerhin bedeutet dies auch, dass die Miniklinke funktioniert – und universell verfügbar ist. Warum also dieser "couragierte" Schritt, wie ihn Apple-Vizepräsident, in gewohnter Bescheidenheit bei der Vorstellung des iPhone 7 nannte?

Senior Vice President of Hardware Engineering, Dan Riccio, liefert auf diese Frage eine recht pragmatische Antwort: Der Kopfhörerstecker verbrauche vergleichsweise viel Platz in einem aktuellen Smartphone, und diesen benötige man für wichtigere Innovationen. Zudem könnten Lightning-Kopfhörer bessere Tonqualität liefern als es der alte, analoge Klinkenstecker vermag, verspricht Apple. Nicht zuletzt helfe die Entfernung dieser Buchse dabei, das iPhone 7 wasserdicht zu machen, argumentiert das Unternehmen – auch wenn es zahlreiche Android-Smartphones gibt, die trotz Miniklinkenanschluss wasserdicht sind.

Eine interessante Konsequenz ist jedenfalls, dass mit diesem Schritt ein Teil der Audiohardware in die Kopfhörer selbst wandert. Die Hersteller haben künftig also mehr Einfluss auf die Tonqualität als bisher, was einen neuen Wettbewerb rund um High-Quality-Sound anfachen könnte, hofft zumindest Apple. Zumindest für Audiophile eröffnen sich hier also durchaus interessante, neue Perspektiven.

Kontrolle

Freilich drängt sich auch eine ganz andere Motivation auf, über die Apple nicht so gerne offen spricht: Das Unternehmen will das Geschäft mit Kopfhörern für seine Smartphones unter die eigene Kontrolle bringen. Wer einen Lightning-Kopfhörer herstellen will, muss dafür eine Lizenzgebühr an Apple zahlen. Zudem verstärkt man damit den Lock-In-Effekt: Zubehör, das ausschließlich mit Apple-Geräten funktioniert – und das werden die Lightning-Kopfhörer sein – reduziert die Chance, dass iPhone-Kunden später auf andere Smartphones wechseln, immerhin erhöhen sich die Folgekosten. Außerdem haben Lightning-Kopfhörer für Apple den Vorteil, dass man beim Wechsel auf eine – zweifellos früher oder später kommende – Nachfolgetechnologie wieder frisch abkassieren kann.

Apples Antwort auf solche Befürchtungen ist wenig überraschend: Man könne ohnehin mit dem passenden Adapter auch weiterhin Kopfhörer mit Miniklinke verwenden. Und das stimmt natürlich, ändert aber nichts daran, dass die Konsumenten versuchen solches Stückwerk zu vermeiden, und alleine deswegen Lightning-Kopfhörer rasch ihre Verbreitung finden werden. Und damit hat dann endgültig das Zeitalter der Kopfhörerfragmentierung beginnen, immerhin ist davon auszugehen, dass Android-Hersteller schon bald Apples Vorbild folgen werden, und ihrerseits Smartphones bringen, die Audio via USB Type C ausgeben – die ersten Vorreiter in diese Richtung gibt es bereits.

Analoge Lücke: Geschlossen.

Auch ist nicht gesichert, wie lange die Adapterlösung wirklich funktionieren wird. Immerhin handelt es sich bei Lightning um einen digitalen Anschluss. Die Versuchung für die Rechteinhaber hier – ähnlich wie Kabeln zur Videoübertragung – die "analoge Lücke" zu schließen und mittels Digital Rights Management (DRM) ihre Inhalte "kopiergeschützt" zu übertragen, dürfte durchaus hoch sein. Hier ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis entsprechender Druck aus der Branche aufgebaut wird.

Ob diese schöne neue Kopfhörerwelt im Interesse der Konsumenten ist, muss sich insofern erst zeigen. Im Interesse der Industrie ist sie jedenfalls fraglos. (apo, 8.9.2016)