Der Tourismus in Istrien boomt: Allein Rovinj – das Schmuckstück der Halbinsel schlechthin – meldet jährlich weit mehr als drei Millionen Nächtigungen. Und das bei knapp 15.000 Einwohnern. Dazu kommen jede Menge Tagestouristen: 2016 legten rund 80 der riesigen Kreuzfahrtschiffe am Nordhafen an und entließen jedes Mal tausende Menschen an Land. Die Riesenschiffe machen so manchem Rovinjer bereits Sorgen: "Bald wird es hier so wie in Venedig", klagen die Besucher der Grota-Bar, dem zentralen Treffpunkt am Markt in Rovinj.

In der Grota wird freilich nicht alles am touristischen Erfolg kritisiert. Im Gegenteil: Mit viel Sympathie werden Gäste in der gestreckten Saison empfangen. In den nicht ganz so heißen Monaten Mai, Juni sowie September, Oktober setzt man in Istrien auf den Genussradler. Gepflegte, gut ausgeschilderte Routen, ohne allzu heftige Geländeeinlagen und weit weg von den Hauptverkehrsstraßen locken Jahr für Jahr mehr Radbegeisterte in die Wälder, Olivenhaine und Weingärten.

Ein Städtchen wie geschaffen für die Ansichtskarte: Rovinj bringt in der Vor- und Nachsaison seine ganze Ausstrahlung zur Geltung.
Foto: Thomas Neuhold

Die großen Urlaubermassen konzentrieren sich auf die zwei Ferienmonate, in der Vor- und Nachsaison bringt Istrien seine ganze Ausstrahlung zur Geltung. Die Zauberkombination heißt dabei Rad und Kulinarik – und das nicht nur mit Rücksicht auf den Umfang der Leibesmitte. Motto: mit dem Fahrrad in die Konoba, wie das Beisl auf Kroatisch heißt; oder etwas nobler von Rovinj zum Austernfrühstück an den Limski-Kanal, einen Fjord mit Muschelbänken nördlich von Rovinj.

Trüffel und Wein

So wie Istrien in Sachen Rad infrastruktur aufgerüstet hat, so hat sich auch das kulinarische Profil geändert. Dort, wo unsere Eltern noch mit fettigen Ćevapčići und verbrannter Pljeskavica das Auslangen finden mussten, kredenzt man heute Trüffelgerichte, Austern, feine Fischplatten und edlen Pršut, der in Sachen Qualität viele italienische Rohschinken längst überflügelt. Auch der Weißwein Malvasia und der Teran, wie die Refosco-Traube in Kroatien heißt, brauchen keinen Vergleich zu scheuen mit vielen italienischen Sorten. Wer dann noch dem Fleischhauer am Markt von Rovinj zu Gesicht steht, der kann vielleicht sogar ein Teil vom äußerst seltenen Boskarin-Rind ergattern.

Foto: Thomas Neuhold

Zu den Sardellen

Eine der Top-Radtouren, bei der sich Sportliches und Kulinarisches verbinden lassen, ist ein Tagesausflug von Rovinj nach Fažana. Das kleine Fischerdorf mit knapp 4000 Einwohnern ist vielen nur als Fährhafen bekannt.

Von hier setzt man zu den Brijuni-Inseln über. Auf einer der Inseln hatte einst der jugoslawische Staatspräsident Josip Broz Tito eine seiner Sommerresidenzen. Seit 1983 sind die 14 Inseln ein Nationalpark.

Was vielen auf dem Weg zum Nationalpark entgeht: Fažana ist sozusagen die kroatische Hauptstadt der Sardellen. In dem Fischerdörfchen findet sich sogar eine eigene Fischakademie. Das Angebot in den zahlreichen Konobas ist entsprechend fischlastig.

Die Route führt über gute Schotterwege oder wenig befahrene Asphaltstraßen.
Foto: Thomas Neuhold

Während es im Landesinneren in Sachen Steilheit und Höhenmeter manchmal gehörig zur Sache geht, ist die Fahrt von Rovinj nach Fažana zwar lang, aber gemütlich. Die Route führt ausschließlich über gute Schotterwege oder wenig befahrene Asphaltstraße. Von Rovinj geht es am Meer entlang an den heute als Kletterfelsen genutzten römischen Steinbrüchen am Vogelparadies (Naturpark) Palud vorbei durch Olivenhaine und duftende Wälder nach Fažana zum Mittagessen – beispielsweise in der Stara Konoba direkt an der Marina.

Wer bald in der Früh aufbricht, sollte unbedingt den Abstecher ins Vogelschutzgebiet Palud machen. Hier lassen sich seltene Wasservögel aus geschickt angelegten Beobachtungshütten beobachten.

Auf dem Rückweg von Fažana kann man – am besten an den Stränden einer der großen Campinganlagen auf dem Weg – in die im September noch nicht allzu kühle Adria springen. (Thomas Neuhold, 09.09.2016)