Turbulente Festnahme dreier Frauen in Boussy-Saint-Antoine südlich von Paris. Eine Verdächtige wehrte sich mit einem Fleischermesser.

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Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die französische Polizei auf Frauen als potenzielle Terroristinnen stoßen würde: Laut Geheimdienst sind mehr als ein Drittel der nach Syrien gereisten Jihadisten Frauen.

Seit Tagen rätselte Frankreich darüber, was es mit dem Auto voller Gasflaschen auf sich hatte, das die Polizei am vergangenen Sonntag in Paris sichergestellt hatte. Der Peugeot 607 war ohne Nummernschilder und mit Warnblinkern in der Nähe der Notre-Dame-Kathedrale stehen gelassen worden. Die Polizei entdeckte sechs volle Gasflaschen, die als Bomben dienen könnten, aber keine Sprengsätze.

Die Ermittlungen führten zur Tochter des Wagenbesitzers, die den Antiterrorbehörden bekannt war. Am Donnerstagabend wollte die Polizei sie im Pariser Vorort Boussy-Saint-Antoine verhaften, doch die junge Frau stürzte sich mit einem Fleischermesser auf einen Ordnungshüter und verletzte ihn an der Schulter, bevor sie mit Schüssen ins Bein unschädlich gemacht wurde.

Innenminister Bernard Cazeneuve informierte, dass womöglich ein noch am gleichen Abend geplantes Attentat verhindert worden sei. Im Mittelpunkt stünden drei "radikalisierte und fanatisierte Frauen" im Alter von 19, 23 und 33 Jahren. Als einen möglichen Tatort nennt die Polizei den Pariser Bahnhof Gare de Lyon. Dort war am Donnerstag Alarm ausgelöst worden.

Die festgenommene 19-Jährige schwor laut Polizei in einem sichergestellten Brief der Terrormiliz IS ihre Gefolgschaft. Gemäß der Radiostation RTL wollte das Trio die Tötung von IS-Sprecher Mohamed al-Adnani rächen. Laut anderen Medien standen sie in Kontakt mit der Frau von Ahmedy Coulibaly, der im Jänner 2015 in einem jüdischen Supermarkt Geiseln genommen hatte.

Kein Einzelfall

Dass der Kern der mutmaßlichen Terrorzelle aus Frauen besteht, dürfte kein Einzelfall sein: Laut Geheimdienst sind von den 689 Jihadisten, die aus Frankreich nach Syrien gereist sind, 265 Frauen – mehr als ein Drittel.

Viele Jidhadistinnen wurden vom IS zuerst als "humanitäre Helferinnen" angeworben, andere folgten ihren Männern in den Krieg. "Frauen handeln nicht wie Männer, weil ihnen nach ihrem Märtyrertod das Paradies mit Jungfrauen und dergleichen versprochen wird", sagte der Terrorexperte Pierre Conesa vom französischen Verteidigungsministerium am Freitag. "In der sehr machistischen Gesellschaft der Salafisten kann sich eine Frau nur hervortun, indem sie noch gewalttätiger auftritt."

Ex-Geheimdienstchef Jean-Pierre Pochon erklärte, die Existenz von Frauen im Jihad sei "kein Novum, sondern eine Konstante", auch wenn heute eine "Beschleunigung" festzustellen sei. Jihadistinnen würden heute gleich vorgehen wie Männer: Sie handelten weitgehend auf eigene Faust und nicht mehr auf einen äußeren Einsatzbefehl wie zu Zeiten von Al-Kaida. Die Präsenz hunderter Frauen in der Geheimdienstdatenbank zeige, dass in Frankreich die Bedrohung von Vertretern beider Geschlechter ausgehe.

Angst macht vielen Franzosen, dass viele dieser Frauen ein normales Zivilleben geführt haben. Die älteste des Trios war in Boussy als uniformtragende Sicherheitsangestellte bekannt und geschätzt gewesen. Erst in letzter Zeit fiel sie mit Ganzkörperverschleierung auf. (Stefan Brändle aus Paris, 10.9.2016)