In der US-Footballliga (NFL) weiten sich die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus aus. Am ersten Spieltag der neuen Saison am Sonntag (Ortszeit) schlossen sich weitere Spieler dem Hymnenprotest von Colin Kaepernick, Quarterback der San Francisco 49ers, an – und das ausgerechnet am 15. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001. Beim Spiel der Seattle Seahawks gegen die Miami Dolphins knieten vier Spieler der Dolphins nieder, als die Nationalhymne im CenturyLink Field erklang. Während Kenny Stills, Michael Thomas, Arian Foster und Jelani Jenkins am Spielfeldrand niedersanken, stand das Team der Seahawks Arm in Arm zusammen.
"Black Power"
Die Dolphins reagierten mit einer Stellungnahme: "Wir ermutigen alle Mitglieder unserer Organisation, während der Nationalhymne aus Respekt und Wertschätzung der Freiheiten, die wir als Amerikaner genießen, aufrecht zu stehen." Jedoch habe jeder das Recht, die Hymne unterschiedlich auf sich wirken zu lassen. "Wir respektieren diese Freiheiten und würdigen die Opfer, die jeder für dieses Land gebracht hat (...)".
Einen Schritt weiter als Kaepernick und Co. ging Marcus Peters, Cornerback der Kansas City Chiefs. Vor dem Spiel gegen die San Diego Chargers blieb der 23-Jährige zwar während der Hymne stehen, reckte aber seine rechte Faust in den Himmel. "Ich bin schwarz. Ich liebe es, schwarz zu sein, und ich unterstütze Colin", erklärte Peters, 2015 als bester Jungverteidiger der Liga ausgezeichnet. Martellus Bennett und Devin McCourty von den New England Patriots zeigten die gleiche Geste, hoben ihre Fäuste allerdings erst nach der Hymne.
Erinnerungen an 1968
Die Geste Peters' wirkte wie eine Hommage an die Läufer Tommie Smith und John Carlos, die bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko-City mit selbiger Geste einen stillen Protest angestimmt hatten. Nach dem 200 Meter Lauf der Herren hatten Goldmedaillengewinner Smith und der drittplatzierte Carlos im Rahmen der Siegerehrung ihre Fäuste in die Höhe gereckt. Ihr Aufbegehren richtete sich gegen Rassendiskriminierung und für die Einhaltung der Menschenrechte.
Beide waren während der US-Hymne mit gesenkten Köpfen und ohne Schuhe, dafür in schwarzen Socken auf dem Podium gestanden. Ihre Fäuste hatten in schwarzen Handschuhen gesteckt: Smith und Carlos wollten verhindern, die Haut von Avery Brundage zu berühren, sollten sie ihm die Hand schütteln müssen. Brundage war der amerikanische Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und bekennender Rassist und Antisemit, wie der Spiegel schreibt.
Kriegsverweigerer Ali
Sowohl Smith und Carlos als auch Silbermedaillengewinner Peter Norman aus Australien hatten Anstecker mit der Aufschrift OPHR auf ihren Jacken gepinnt. Das "Olympic Project of Human Rights" war eine Bewegung der schwarzen US-Athleten, die vor den Spielen einen Boykott angedacht hatten. Eine Forderung des OPHR hatte gelautet, die rassistischen Regime Südafrika und Rhodesien von Olympia auszuschließen, eine weitere, dem Schwergewichtsboxer Muhammad Ali seinen Weltmeistertitel zurückzugeben. Ali hatte sich 1967 geweigert in den Vietnamkrieg zu ziehen.
1976 hatten 16 afrikanische Mannschaften beschlossen, kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele aus dem kanadischen Montreal abzureisen. Sie wollten so gegen die Apartheidpolitik in Südafrika protestieren – allerdings nicht, weil das Land selbst an den Spielen teilnahm, sondern wegen Neuseeland. Dessen Rugby-Nationalmannschaft war kurz vor Beginn der Olympischen Spiele gegen die Südafrikaner angetreten und hatte so den Sportboykott gegen das dortige Regime gebrochen.
Polizeigewalt gegen Fabrige
Colin Kaepernick will mit seinem Protest gegen Rassismus und Ungleichbehandlung sowie gegen Polizeigewalt gegen Schwarze sichtbar machen. Zwei der jüngsten Fälle – US-Polizisten hatten im Juli binnen 48 Stunden abermals zwei Afroamerikaner erschossen – lösten eine Protestwelle im ganzen Land aus. Die Ereignisse kulminierten bei einer Demonstration im texanischen Dallas, bei der ein Attentäter fünf Polizisten ermordete.
Kaepernick hat die Aktion, während der US-Hymne nicht aufzustehen, sondern niederzuknien, in den Vorbereitungsspielen auf die neue Saison initiiert. Ob er seinen Hymnen-Protest auch in der regulären Saison fortsetzt, bleibt abzuwarten – das erste Saisonspiel der San Francisco 49ers steigt am Montag gegen die Los Angeles Rams. Der Quarterback hatte zumindest angekündigt, seine Geste so lange zu zeigen, bis sich an der Gewalt gegen Farbige tatsächlich etwas ändert.
In Gedanken an 9/11
Eigentlich hätte der NFL-Saisonauftakt im Zeichen des 15. Jahrestages der Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon stehen sollen. Vor den Spielen wurden Videobotschaften des damaligen US-Präsidenten George W. Buch und des amtierenden Staatsoberhaupts Barack Obama in den Stadien auf den Videowalls eingespielt.
Das ersatzgeschwächte Team der New England Patriots rund um den gesperrten Superstar Tom Brady konnte seinen Saisonauftakt gegen die favorisierten Arizona Cardinals gewinnen. Jimmy Garoppolo, der Brady ersetzt, lieferte eine starke Leistung ab. Die Dallas Cowboys erlagen mit 19:20 knapp den New York Giants, Eli Manning warf drei Touchdowns für die siegreichen Gäste. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten die Denver Broncos die Carolina Panthers zum Eröffnungsspiel empfangen und knapp mit 21:20 (7:17) geschlagen. (APA, sid, siu, 12.9.2016)
Die Ergebnisse des ersten Spieltages: Jacksonville Jaguars – Green Bay Packers 23:27, Baltimore Ravens – Buffalo Bills 13:7, Houston Texans – Chicago Bears 23:14, Philadelphia Eagles – Cleveland Browns 29:10, Atlanta Falcons – Tampa Bay Buccaneers 24:31, Tennessee Titans – Minnesota Vikings 16:25, New York Jets – Cincinnati Bengals 22:23, New Orleans Saints – Oakland Raiders 34:35, Kansas City Chiefs – San Diego Chargers 33:27 n.V., Seattle Seahawks – Miami Dolphins 12:10, Indianapolis Colts – Detroit Lions 35:39, Dallas Cowboys – New York Giants 19:20, Arizona Cardinals – New England Patriots 21:23