Mittels Baulos zum Schrebergartenglück.

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Wird in drei Baulosen errichtet: der Koralmtunnel.

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Italienisch Lotto, ein Wort mit germanischen Wurzeln, wurde im 18. Jahrhundert ins Deutsche rückentlehnt.

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Wir können unser Schicksal als etwas betrachten, auf das wir keinen Einfluss haben, und jammern, dass wir ein schweres Los zu tragen haben, oder wir nehmen uns vor, es zu gestalten nach dem Motto: Jeder ist seines Glückes Schmied. Oder auch Gärtner. Denn manche finden ihr Glück in einem Baulos einer Kleingartensiedlung. Einem Schrebergarten. Andere wieder spielen Lotto und hoffen, ein Los zu ziehen, das gewinnt. Then they can spend a lot of money on the things they desire.1

Bahnbegeisterte steigen in den Zug und fahren einfach los2, quer durch Österreich. Übrigens, nach seiner Fertigstellung wird der 33 Kilometer lange Koralmtunnel der längste Eisenbahntunnel Österreichs sein. Er wird in drei Baulosen (KAT 1, 2 und 3) errichtet. Die Gesamtinbetriebnahme der 130 Kilometer langen Koralmbahn ist für 2023 geplant, und dann wird die Zugfahrt von Graz nach Klagenfurt nur mehr sage und schreibe 45 Minuten dauern.3

Aber auch ein Spaziergang in den Randgebieten Wiens kann glücklich machen. Wir schlendern durch Grinzing und erreichen über die Straße, die An den langen Lüssen4 heißt, den Grinzinger Friedhof, und letztendlich kommen wir zum Himmel. Zum, wohlgemerkt, nicht: in den.

In diesem Riednamen steckt mittelhochdeutsch luʒ "ein Stück Land, ein Teil eines Ackers, der einem durch Los zufällt" (altenglisch hlyte "Los, Anteil" und hlot "Anteil, Erbteilung; Entscheidung; Weissagung"; beide abgeleitet von der Schwundstufe germanisch *hlut-). Der Losgewinner erhielt dabei das Nutzungsrecht des Landteils für ein Jahr. Mittelhochdeutsch luʒ begegnen wir auch in der Hanglüßgasse [sic!] im 15. Wiener Gemeindebezirk. Urkundlich ist der Straßenzug 1335 erwähnt, und es handelt sich dem Wortsinn nach um Parzellen (hängende Lüsse), die zum Wiental hin abfallen.

Lüsse und Los sind wurzelverwandte Wörter. Dem –ss– in Lüssen nach zu schließen, müssten wir Los eigentlich mit –ß– schreiben, und so wurde Loß auch bis ins 17. Jahrhundert geschrieben, denn mittelhochdeutsches –ʒ –entspricht lautverschobenem –t– (siehe neuenglisch lot "Grundstück, Parzelle; Schicksal, Los"; parking lot "Autoabstellplatz"; a lot of "ein Anteil von = viel").

Mittelhochdeutsch lôʒ "das Werfen des Loses, Auslosung" (althochdeutsch hlôʒ "Spruch, Schicksal, Anteil", gotisch hlauts "Anteil, Erbschaft" aus germanisch *hlaut-) bezeichnete um 1200 auch den Standort auf dem Marktplatz, der dem Händler durch Ziehen eines Loses zugewiesen wurde.

Gut, dass wir nie so genau wissen, was das Schicksal für uns bereithält, denn eben diese Ungewissheit macht das Leben spannend. Und immer wieder, wenn es ungewiss ist, wie ein Projekt, das noch in den Kinderschuhen steckt, gedeihen wird, fühlt es sich so an, als ob wir ein Los erstanden haben, in den Händen halten und warten, ob es gewinnt – oder ob es eine Niete ist.

Im Mittelhochdeutschen gibt es noch das starke Verb lieʒen (althochdeutsch hlioʒan "durch Los erlangen", altenglisch hlēotan "auslosen, erhalten"), das semantisch auch in die Nähe von Schicksalsbefragung, Wahrsagerei und Magie rückt und auf den alten Brauch der Germanen deutet, wonach diese versuchten, durch Werfen der Runen und ihrer Lage Weissagungen zu machen.

Welche Wege die Wörter nehmen, lässt sich nicht immer prophezeien, aber gesichert ist, dass es einst das Schicksal von Los war, in die Fremde zu ziehen, und so hat es früh in den romanischen Sprachen Fuß gefasst (französisch lot "Anteil, Gewinn", italienisch lotto "Lotto, Anteil, Parzelle", spanisch lote "Flurstück, Los", portugiesisch loto "Lotto"). Neuhochdeutsch Lotto ist aus dem Italienischen im 18. Jahrhundert rückentlehnt worden. Und die Lotterie geht auf niederländisch loterij zurück, so wie auch das Wort für Lose, die keinen Gewinn bringen, aus den Niederlanden kommen und "Nieten" heißen (aus der Negationspartikel niet "nichts").

Ein Berufsstand, der im 20. Jahrhundert ausgestorben ist, ist der sogenannte Planetenverkäufer5. Um die Jahrhundertwende und noch in der Zwischenkriegszeit fand man ihn in den Wiener Straßen. Er hatte einen Bauchladen voller Planeten, so hießen die Lotteriebriefchen, umgebunden, die mehrere Lotterienummern enthielten. Kurioserweise hatten die Planetenverkäufer meist einen Papagei dabei, der die Briefchen mit seinem Schnabel herausgepickte.

Im Lotto kein Glück, das Losungswort des Sparbuchs, auf dem eine nichtssagende Summe liegt, vergessen, da ist schon mancher zum Räuber aus Verzweiflung geworden. Überfällt eine Tankstelle, schüchtert die Frau an der Kassa mit einer Spielzeugpistole ein und entkommt unerkannt mit der Tageslosung. So oder ähnlich liest man zuweilen in Tageszeitungen.

Bevor ich mich weiter im Gewirr der Losungs-Wörter verheddere, nehme ich die Einladung einer Freundin an, die einen Schrebergarten in einem Außenbezirk Wiens hat. Die Briten sagen dazu "allotment", und somit sind wir wieder am Ausgangspunkt unseres Spazierganges angelangt. Das Verb allot "zuteilen" wird im späten 15. Jahrhundert aus altfranzösisch aloter "Land parzellieren", seinerseits ein Wort mit germanischen Migrationshintergrund, ins Mittelenglische übernommen. By the way, allotments are a British passion.6 Und Sie? Was macht Ihr grüner Daumen? (Sonja Winkler, 13.9.2016)