Wahlen in Weißrussland sind etwas Besonderes: Wo sonst in der Welt können sich nach einer Abstimmung alle Seiten als Gewinner fühlen? Zumindest auf den ersten Blick erscheint es so, als sei dem "letzten Diktator Europas" die Quadratur des Kreises geglückt: Die Opposition zieht erstmals seit dem Jahr 2000 wieder in das Parlament ein, dabei werden sowohl die national orientierten Kräfte als auch die Liberalen mit je einer Kandidatin abgefrühstückt. Wenn das kein Grund zur Freude ist!

Für die EU-Kommission dürfte dies auf jeden Fall einer sein, denn in Brüssel suchte man seit längerem fieberhaft nach Fortschritten in der weißrussischen "Demokratur" – als Grund, Lukaschenko wieder ins "Reich der Guten" zu holen, und sei es auch nur, um den Kreml zu ärgern.

Für Lukaschenko ist die Wahl auch kein Grund zur Traurigkeit: 108 der 110 Abgeordneten gehören ihm, das Parlament hat er also weiterhin in der Tasche. Selbst Moskau dürfte sich das Experiment, wie mit kleinem Aufwand große PR-Wirkung erzielt werden kann, mit Interesse ansehen, wird in Russland doch nächste Woche ebenfalls gewählt.

Zu den Gewinnern zählen natürlich auch Weißrusslands Wähler, die traditionell am Wahltag mit billigem Alkohol zur Stimmabgabe stimuliert werden sollten. Da stört nur eines: Die laut Beobachtern niedrige Beteiligung zeugt davon, dass die Weißrussen sich nicht als Sieger fühlen und auf den Kater nach dem Wahlkoma verzichten können. (André Ballin, 12.9.2016)