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Ungarns Premier Viktor Orbán (Bild) ließ am Dienstag seinen Außenminister auf die Ausschlussforderung aus Luxemburg antworten.

Foto: Reuters / Sergio Perez

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó ist kein Mann des geschliffenen Wortes. Der ehemalige persönliche Sprecher des rechtspopulistischen Regierungschefs Viktor Orbán bezeichnete in seinen maschinengewehrartig vorgetragenen Tiraden "ungarnfeindliche" ausländische Politiker in der Vergangenheit schon einmal als "elende Lügner" und "Amokläufer" (Werner Faymann), "Heuchler" (Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven) oder "Scheinheilige" (Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel).

Am Dienstag war der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn an der Reihe: Nach dessen Forderung, Ungarn aus der EU vorübergehend oder endgültig auszuschließen, sagte sein ungarischer Amtskollege über ihn: "Es war schon bisher bekannt, dass Jean Asselborn eine unernste Figur ist." Man sehe ihm an, höhnte Szijjártó, dass er nicht weit weg von Brüssel wohne, denn er sei "belehrend, arrogant und frustriert". Als "richtiger Nihilist" würde Asselborn keine Mühen scheuen, "um die europäische Sicherheit und Kultur zu zerstören".

Mit der letzten Losung griff Szijjártó ein Bonmot seines Chefs Viktor Orbán auf, der bereits am vergangenen Wochenende den aus Luxemburg stammenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und den aus Deutschland stammenden EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als "Nihilisten" bezeichnet hatte. In Orbáns Diktion würde demnach die "Brüsseler Elite" die Flüchtlingsfrage als "Schnellstraße" nutzen, um "das auf Nation und Christentum beruhende Europa zu zerstören".

Bewusste Kampfansage

Tatsächlich war des Premierministers zunächst nichtöffentliche, dann aber in Auszügen bewusst veröffentlichte Rede vor den Spitzen der Regierungspartei Fidesz eine weitere Kampfansage an die vielgescholtene "Brüsseler Elite", welcher die Budapester Machtzentrale einen Asselborn fraglos zuordnen würde.

Orbán forderte unter anderem eine europaweite "Einwanderungspolitik der Selbstverteidigung". Den Begriff habe der rechtskonservative Politiker im Gespräch mit dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk gebraucht, sagte Orbáns Sprecher Bertalan Havasi der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI.

In weiten Teilen der Rede ging es um das Referendum am 2. Oktober, das auch im Interview mit Asselborn zur Sprache kam. In der Befragung sollen die Wähler die EU-Quoten zur Verteilung von Asylsuchenden in Bausch und Bogen ablehnen. Bisher war klar, dass Orbán im Fall eines überzeugenden Abstimmungsergebnisses die Flüchtlingspolitik der EU in seinem – restriktiven – Sinne zu beeinflussen trachten würde. In der letzten Rede legte Orbán die Latte viel höher: Nun soll ein aus Fidesz-Sicht schönes Referendumsergebnis eine "Welle" in Europa auslösen und den Einzug einer neuen Elite in die Spitzengremien der EU nach sich ziehen.

Gültig ist das Referendum, wenn mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben. Die linke und liberale Opposition ruft zum Boykott oder zur Abgabe einer ungültigen Stimme auf – ihrer Ansicht nach ist die Volksabstimmung nur die Vorstufe zu einem "Uxit", einem auf längere Sicht von Orbán ohnehin angestrebten EU-Austritt Ungarns. Selbst falls dies zutreffen sollte, würde dies die Orbán-Regierung fraglos vehement abstreiten.

Trotz jahrelanger Propaganda gegen "Brüssel" ist eine deutliche Mehrheit der Ungarn für den Verbleib in der EU. Orbán würde auch deshalb gegenwärtig keinen EU-Austritt provozieren, weil Ungarn enorme Summen an EU-Förderungen bezieht. Ein bedeutender Teil davon wandert mutmaßlich in die Taschen von Oligarchen, die von Orbán abhängig sind und seine Herrschaft stabilisieren.

Schulz: "Völliger Blödsinn"

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat die Forderung Asselborns am Mittwoch mit scharfen Worten kritisiert. Dies sei "völliger Blödsinn", sagte Schulz im ZDF-Morgenmagazin. Er habe Asselborn am Dienstag gesprochen und ihm gesagt: "Wir wissen nicht mal wie die Briten raussollen, wie sollen wir Ungarn ausschließen?"

(red, Gregor Mayer, 14.9.2016)