Für eine simple Erhöhung der staatlichen Förderung des Schienengüterverkehrs fehlt nicht nur das Geld, sondern auch das Wirkungspotenzial. Deshalb will der Verkehrsminister mehr Treffsicherheit.

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Wien – Das Studienergebnis klingt bestechend: Für die Güterverlagerung vom Lkw auf die Bahn gibt es in Österreich ein theoretisches Potenzial von bis zu 41 Millionen Tonnen. Das entspräche einer Verkehrsleistung von drei bis sechs Milliarden Tonnenkilometern. Zu dieser Annahme kommen Kores Consulting und Brenner Managementberatung in einer Studie im Auftrag der mit der Abwicklung von Bahntransportförderungen beauftragten Schieneninfrastrukturgesellschaft (Schig).

Der Befund mag überraschen, klingt doch die ebenfalls errechnete "pessimistische Variante" bereits als überaus ambitioniert. Sie geht von einem Potenzial von 19,9 Millionen Tonnen aus, was eine Verlagerung von 4,9 Prozent des Straßengüterverkehrs auf die Bahn bedeutete. Bei der "optimistischen Variante" würden gar 10,1 Prozent der Lkw-Tonnage auf die Bahn wandern – wenn denn der rückläufige (weil kostenintensive) Einzelwagenverkehr nur richtig und zielgerichtet gefördert würde.

Zum Vergleich: Für 2015 weist die EU-Statistikbehörde Eurostat 97,6 Millionen Tonnen auf der Schiene transportierte Fracht aus (inklusive Transitverkehr) – das ist weniger als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, die einen massiven Einbruch um mehr als 20 Mio. Tonnen zur Folge hatte.

Umstellungen und Anreize

Um die von den Studienautoren identifizierte wundersame Gütervermehrung tatsächlich auf Schiene zu bekommen, sind eine Reihe von Umstellungen und Anreizen nötig, die teils eine Abkehr von der geübten Praxis darstellen würden – insbesondere im Einzelwagenverkehr.

Darunter versteht man mit unterschiedlichen Gütern beladene Wagons, die an bestimmten Knotenpunkten, zu einem Zug verbunden, von A nach B transportiert werden. Da dies Verschub und höhere Schienenmaut bedingt, sind die Kosten höher als bei Ganzzügen, bei denen ein Zug nur mit gleichartigen Gütern, etwa Kohle oder Erz beladen wird.

  • Baustellenverkehre: Analog zu den großen Bahnbaustellen sollten in Baubescheiden auch bei großen Straßen- oder sonstigen Großbaustellen umweltfreundliche Zu- und Abtransporte von Material auf der Schiene vorgeschrieben werden. Sonst wären Bahnbaustellen diskriminiert. Sollte die Politik nichts bewegen, empfehlen die Autoren eine Verfassungsklage.
  • Betriebsgenehmigungen für Bergwerke sollte ebenfalls eine Verpflichtung zu ökologisch freundlichen Bahntransporten auferlegt werden.
  • Wirtschaftsparks sollten überhaupt nur mehr mit Anschlussbahnen und Betriebsvorschreibungen genehmigt werden.
  • Ökosiegel für Produkte wie Lebensmittel an Verkehrsformen mit geringem Unfallrisiko und Ökotransport koppeln: Für Güter, die nie bahnparallel auf der Straße befördert werden, wäre ein Ökoverkehrsgütesiegel vorteilhaft.
  • Verkehrskontrollen: Die intensivere Ahndung von Gesetzesübertretungen zur Senkung von Lkw-Kosten (Unterschreitung der Lenkerruhezeiten etc.) zählen die Studienautoren explizit nicht zum Waffenarsenal der Bahnförderung. Wohl aber die Einführung eines Qualitätsmanagements für Verkehrskontrollen, um die praktizierte Toleranz gegenüber Missbräuchen abzustellen.
  • Anschlussbahnen sollten intensiver genutzt werden, derzeit liege fast ein Drittel der staatlich finanzierten Einrichtungen brach – auch weil die ÖBB-Güterbahn RCA die Zahl ihrer Bedienstellen auf 420 massiv reduzierte. Hier bräuchte es laut Studie das Gegenteil, den Ausbau von Anschlussbahnen zu multifunktionalen Verladeknoten. Die wichtigsten Bedienstellen sind laut Rechnungshof Wien-Inzersdorf, Wels, Lambach, Salzburg, Wörgl, Bludenz, Wolfurt, Wiener Neudorf und St. Michael sowie die Häfen Freudenau, Linz, Krems und Enns.
  • Elektrifizierung: Um teure Dieselinsellösungen zu attraktivieren, sollten Zulaufstrecken zu Bahnknoten wie Pressburg oder Wiener Neustadt elektrifiziert werden. Das stellt angesichts des Milliardenbauprogramms der ÖBB freilich ein Wunschprogramm dar, das kaum realisierbar scheint. (Luise Ungerboeck, 17.9.2016)