Designer Christian Peetz lernte beim großen Hartmut Esslinger. Von einem künstlerischen Zugang zum Design hält er nicht viel. Er will möglichst viele Menschen mit seinen Entwürfen erreichen.

Foto: Ana Sampaio Barros

Flaniert man durch die Hermanngasse im siebenten Bezirk, sticht der Neubau mit der Nr. 21 aus der Front der Jahrhundertwendegebäude quietschgelb heraus. Ebenerdig und durch große Fenster einsehbar sitzen vier Menschen in einer properen Bürogemeinschaft vor ihren Bildschirmen. Das könnte eine Szene aus einem Til-Schweiger-Film sein. Irgendeine Agentur, in der es Latte macchiato gibt. Es schüttet aus Kübeln, dennoch steht die Eingangstür weit offen. Auf dem Fensterbankl liegen Kissen. Einer von den vieren ist der Designer Christian Peetz, der unter dem Namen Alphakanal firmiert.

Alphakanal steht für die Entwicklung von Marken, von Verpackungs- und Produktdesign, aber auch für Grafik. Die Bereiche aufzudröseln ist gar nicht so einfach, vielleicht auch nicht notwendig, denn für den 31-Jährigen gehört alles unter einen Hut und unter dem ist viel Platz: Drei Jahre war Peetz bei Do & Co Produktdesigner. Er entwarf in dieser Zeit Service für die Turkish Airlines, entwickelte die Marke Henry. Peetz entwirft für eine schweizerische Naturkosmetik- und Pharmaziefirma unter anderem hübsche, braune Glasfläschchen, die eine Art Alm-Öhi mit Gänseblümchen im Rauschebart ziert.

Gartenbänke für André Heller

Die Bänke für André Hellers botanischen Garten am Gardasee stammen auch aus seiner Feder. Ebenso wie das Verpackungsdesign für japanische Reissnacks oder eine Art Jausensackerl, das auf bestimmten Flügen an den Sitzen der British-Airways-Flieger baumelt. Die Aufzählung könnte weitergehen, zum Beispiel mit Webdesign unter anderem für Schullin oder die Restaurant-Restplatzbörse Delinski.

"Mir geht es um das Schaffen von Identitäten", formuliert er etwas schwammig, während eine chromstahlblitzende Espressomaschine Kaffee ausspuckt. Schon mehr fassbar wird Peetz, als er erzählt, wie er schon als Bub von Flaschenöffnern und anderen Massenprodukten mehr fasziniert war als von Playmobil.

17 verschiedene Bänke werden demnächst am Gardasee zu sehen sein.
Foto: Alphakanal

Dass er auf seinem Weg einem Meister seiner Klasse begegnete, hat das Seine dazu beigetragen. "Ohne Hartmut Esslinger, bei dem ich studiert habe, wäre ich nicht dort, wo ich heute bin", erzählt Peetz über seinen ehemaligen Professor an der Wiener Angewandten. Einer, der für Apple, Lufthansa, Windows XP und viele mehr entwarf. Kaum ein Bewohner der westlichen Welt, der nicht schon einmal mit einem Design des Gründers von Frog Design in Berührung kam. Lauscht man Peetz, kneißt man schnell, dass auch er genau dorthin möchte. "Ich wollte als Diplomarbeit unbedingt eine Segelyacht entwerfen", erzählt Peetz. Und? "Esslinger hat abgelehnt und mir den Entwurf für eine Motoryacht angeschafft". Warum? "Der Professor sagte, Segeln können nur wenige, Motorbootfahren kann jeder." Eine plausible und wohl oder übel richtige Antwort in der Welt des Industriedesigns.

"Ich bin viel zu realistisch, um Künstler zu sein. Ich will industriell fertigbare Massenproduktion. Meine Entwürfe sind straight und minimalistisch, nicht künstlerisch skulptural."

Flugzeugporzellan

Wer nach diesem Sager an Förderbänder denkt, die weichgespülte Entwürfe für ein Massenpublikum heranschieben, irrt. Peetz' Entwürfe geizen keineswegs mit Charme und Raffinesse. Das Service für die Business-Class von Turkish Airlines zeigt elegante, organische Formen. Die Schälchen sind aus der Porzellanart "fine bone china", manche davon sind auf der Innenseite golden. Magnesiumpulver macht sie stabiler, eingearbeitete Magneten machen den Flugbegleitern ihren Job leichter und den Reisenden den Flug fleckenloser. Auf dem Tablett leuchtet wie bei einem Candle-Light-Dinner ein LED-Kerzchen aus einem Papiersackerl. Der erste Auftrag für die Fluglinie bestand aus Millionen bestellter Items.

Das Service gibt's in der Business-Class von Turkish Airlines.
Foto: Do & Co

Für den erwähnten botanischen Garten von André Heller am Gardasee entwickelte Peetz mit der Designerin Tanja Lightfoot 17 verschiedene Bänke, die in Kürze in Produktion gehen. Alle Bänke ruhen auf einer Stahlkonstruktion. Manche von ihnen sind mit Marmor, andere mit Sandstein, Kunststoff oder Glasfliesen verkleidet. Gleich Bändern ziehen sich Streifen aus gebeiztem Kieferholz darüber. Allesamt dürfen sich über ein Zusatzelement freuen. Über einer der Bänke hängt ein Vogelhäuschen, eine andere wartet mit einem Postkastl auf. Man sieht, auch dem kühlen Begriff des Industriedesigns kann Liebenswürdiges innewohnen. Freilich hofft Peetz auch bezüglich der Gartenmöbel in der Zukunft auf eine ganz andere Stückzahl. Je mehr, desto besser.

Damit das Geschäft im Fluss bleibt, hält sich Peetz an seinen Alphakanal, der für ihn einen stetigen Strom von Kommunikation zwischen ihm und einem Auftraggeber darstellt. Das Alpha steht für den Beginn. Was am Ende dieses Kanals herauskommt? Auf jeden Fall ein weiterer Kandidat der heimischen Designszene, der zeigt, wie vielfältig sich diese entwickelt hat, zwischen sehr experimentellen Einzelstücken, die sich in Galerien wiederfinden und Dingen, die wir an vielen Ecken und Enden zwischen die Finger bekommen. (Michael Hausenblas, RONDO, 26.9.2016)

Den Katamaran entwarf Peetz für seine Diplomarbeit.
Foto: Christian Peetz