Der Bestellknopf ist gedrückt, wenige Stunden später stehen die gewünschten Lebensmittel vor der Tür. Neue Trends in der Nahrungsversorgung werden Handel und Transport grundlegend verändern.

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Wien – In Millionen Haushalten bestellen die Bewohner per Knopfdruck am Kühlschrank neues Ketchup. Sie scannen den Strichcode der Kekse, die sie nachbestellen wollen, oder diktieren dem Computer, dass die Lieblingstiefkühlpizza aus dem Supermarkt und der Biosalat direkt vom Bauernhof auf die Einkaufsliste gehören. Amazon Fresh und all die anderen Webservices, die da kommen mögen, verarbeiten die Eingaben, wenige Stunden später hat ein Lieferant den Einkauf an der Tür abgestellt. Fertige Gerichte werden zum Teil mittels Robotern ausgeliefert, eilige Medikamente via Drohne.

Wie muss aber ein Logistiksystem strukturiert sein, das dieses Zukunftsszenario Wirklichkeit werden lässt? Das Kunden bedient, die massenhaft übers Netz ordern und die erwarten, dass sie ihren Einkauf kurz darauf an der Haustür entgegennehmen? Und das dennoch ökologisch, energiesparend und nachhaltig agiert?

Ausgangspunkte und Rahmenbedingungen rund um die offenen Fragen einer zukünftigen Lebensmittelversorgung steckten die Redner des Forum Green Logistics vergangene Woche in Wien ab. Rund um das Thema "Green Food Chains – Green Logistics Concepts" zeigten Wissenschafter und Praktiker bei der gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien, der Erste Bank und weiteren Partnern organisierten Veranstaltung auf, was es auf dem Weg zur Logistikwelt von morgen alles zu bedenken gibt.

Vom Supermarkt- zum Netzeinkauf

Bis über 30 Prozent könnte der Marktanteil von E-Food – digital georderten Nahrungsmitteln – bis 2030 erlangen, prognostiziert etwa Stephan Rüschen, Studiengangsleiter Handel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Aus Bequemlichkeit, Zeitersparnis oder einfach dem Zeitgeist folgend werden die Leute vom Supermarkt- zum Netzeinkauf wechseln und so einen Verdrängungswettbewerb und eine Bereinigung der Supermarktfilialnetze auslösen – die ja gerade in Österreich besonders dicht gewoben sind.

Die geringeren Verkaufsflächen seien aber auch eine Chance, so Rüschen, wieder näher an den Kunden zu kommen – jenen Kunden, der sich seine Äpfel, Käsesorten oder Jeans doch noch vor Ort aussuchen möchte.

Der ökologische Gedanke könnte bei so einer Entwicklung allerdings auf der Strecke bleiben. Die Menge an Verpackungsmüll, die dann selbst kleinere Einkäufe ins Haus bringen, werden Kunden nicht akzeptieren, glaubt der Handelsexperte. Spannend wird es, wenn der Zustelldienst von Amazon Fresh auch hierzulande auf etablierte Supermarktketten trifft. Rüschen: "Ich bin überzeugt, dass es dramatische Veränderungen unter den Anbietern geben wird."

Lebensmittel-3-D-Drucker

Auf diese Trends treffen nun die Bedürfnisse vieler Kunden, die sich eigentlich abwenden wollen von Nahrungsmitteln, deren Inhaltsstoffe aus der ganzen Welt zusammengekarrt werden. Statt der günstigsten Quelle für Protein am Weltmarkt darf es ruhig der gute, aber teure Speck vom Landwirt des Vertrauens sein.

Der Waldviertler Großhändler Kastner, der Nah&Frisch-Händler, Gastronomie und Biohändler mit Waren versorgt, ist sehr sensibel in Bezug auf derartige Trends. 2015 stieg die Gruppe beim Start-up "myProduct.at" ein, das Bauernhof- und Handwerksprodukte via Webshop zum Kunden bringt.

8000 dort gelistete Waren von 400 Herstellern werden via DPD-Auftrag abgeholt, in einer Zentrale in Amstetten umgepackt und ausgeliefert. "Wir kommen dabei ganz ohne eigenes Lager aus", sagt Geschäftsführer Christof Kastner.

Bei der 800 Mitarbeiter starken Kastner-Gruppe, die etwa 9000 Kunden beliefert, hat man auch die derzeitigen Grenzen der Nachhaltigkeit im Blick. Im Bereich der E-Mobilität gebe es noch keine Lösung für Kühltransporte, merkt der Geschäftsführer an. In der Ära des 3-D-Drucks sei man hingegen schon angelangt – als Vertriebspartner der großküchentauglichen Lebensmittel-3-D-Drucker von Bocusini, die "von Marzipan bis zur Leberpastete" 30 Grundstoffe verarbeiten können.

Amazons großer Vorteil

Kastner arbeitet an Kooperationen als Biokistlverteiler für Endkunden. Sonst habe man im Last-Mile-Bereich bei Lebensmitteln wenig Chancen, gesteht Kastner ein. Amazon Fresh könne hier darauf zählen, dass es auch Nichtlebensmittel liefert und quersubventionieren kann. Kastner: "Ein strategischer Vorteil, den sonst niemand hat."

Einen Ausblick auf eine Nahrungsmittelversorgung in einer Welt, die infolge einer hohen Bevölkerungsdichte und des Klimawandels auf klassische Fleischprodukte als Proteinspender verzichtet, zeigte Industriedesignerin Katharina Unger mit ihren Insektenhabitaten. In einer ganzen Reihe von Projekten gestaltete sie Vorrichtungen für die kleinräumige Haltung von Mehlwürmern, Fliegen oder anderen Insekten, die als günstige Proteinquelle dienen können.

Was durch kulturelle Prägung jetzt noch ekelig erscheint, könnte in Zukunft gängige Praxis sein. Ob geröstete Mehlwürmer dann den Salat zieren, oder Insektenprotein eine unscheinbare Ingredienz eines Fertigprodukts wird, bleibt Geschmackssache. (Alois Pumhösel, 15.9.2016)