Im Ausland war zuletzt der neue iranisch-saudische Schlagabtausch das große Thema, im Iran konzentrieren sich die Medien auf die Innenpolitik und vor allem auf die bevorstehenden Präsidentenwahlen im Mai. Die Medien sind in zwei Lager gespalten, und jede Seite versucht, neue Korruptionsskandale und politische Fehler der Gegenseite aufzudecken.

Nun steht der Oberbürgermeister von Teheran, Mohammad Bagher Ghalibaf, im Verdacht, Mitgliedern des Stadtrates Teherans und mehreren Stadtdirektoren zum günstigen Erwerb begehrter Grundstücke in Teheran verholfen zu haben. Nachdem sogar Namen und Einzelheiten publik geworden waren, schaltete Ghalibaf selbst die Justiz ein. Mehrere Nachrichtenagenturen, die Unterlagen veröffentlicht hatten, wurden vorläufig zurückgepfiffen, aber die Printmedien lassen in dieser Angelegenheit nicht locker.

Ghalibafs Wahl vor einem Jahr war umstritten, nachdem herausgekommen war, dass eine in letzter Minute geänderte Stimme einer Stadträtin den Ausschlag gegeben hatte. Die Affäre kommt den Konservativen sehr ungelegen: Sie waren dabei, die Regierung mit Vorwürfen über übermäßig hohe Gehälter von Bank- und Großfirmendirektoren in die Enge zu treiben. Wenn sich die Vorwürfe über Begünstigungen im Stadtrat bestätigen, kann Ghalibaf die Hoffnungen auf seinen dritten Anlauf auf den Präsidentenpalast wohl begraben.

Bürgermeisterinnen

Unabhängig von den politischen Grabenkämpfen erleben die Printmedien im Iran soeben eine neue Renaissance. Fast alle politischen Ereignisse, sogar brisante Themen – von der iranischen Sicherheitspolitik über Kritik ausländischer Medien am Iran bis hin zur Stellung der Frau in der Gesellschaft -, sind für liberale Blätter kein Tabu mehr. Parallel dazu wurden in mehreren Städten von den Gemeinderäten Frauen als Bürgermeisterinnen gewählt: eine Herausforderung der Familienpolitik der Konservativen. (Amir Loghmany aus Teheran, 14.9.2016)