Wien – "Gemeinsam anpacken", stand in fetten roten Buchstaben auf dem Plakat hinter Renate Brauner (SPÖ), und als wäre das zu subtil, begann Wiens Wirtschaftsstadträtin ihren Vortrag mit den Worten: "Wir wollen gemeinsam anpacken." Bei der Pressekonferenz zum Thema "Leichter wirtschaften" bestätigte Brauner am Mittwoch, was DER STANDARD bereits am Tag davor berichtet hatte: Wien wird mit 1. Jänner 2017 als erstes Bundesland die Vergnügungssteuer abschaffen. Dazu notwendig ist ein Beschluss, der am 30. September mit rot-grüner Mandatsmehrheit im Landtag angenommen werden soll.
Die Vergnügungssteuer, auch "Tanzsteuer" genannt, ist eine Länderabgabe in der Höhe von 15 Prozent, die unter anderem auf den Eintrittspreis von Tanzveranstaltungen, Ausstellungen und Sportwettkämpfen sowie auf die Vermietung von Videospielen und Filmen erhoben wird. Dass es "nicht mehr so viele Videotheken gibt", so Brauner, zeige, dass die Steuer und das ihr zugrunde liegende Gesetz bereits von der Geschichte überholt wurden.
Kraus: "Mehr Freiheit für die Clubkultur"
5,6 Millionen Euro spülte das Relikt 2015 in die Stadtkasse, im Jahr davor waren es noch über 52 Millionen. Dazwischen lag das Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien, der Hauptgrund für den Rückgang. Nach wie vor illegal aufgestellte Geräte sollen – parallel mit ihrer Beschlagnahme – weiterhin per Abgabegesetz besteuert werden.
Vom Wegfall der Vergnügungssteuer profitieren laut Brauner rund 3.000 Unternehmen. Viele davon seien Lokalbetreiber und Veranstalter, die die eingesparten Mittel nun verwenden können, um Besucher in die Stadt zu locken, sagte Peter Kraus, der Wirtschaftssprecher der Wiener Grünen. "Mehr Freiheit für die Clubkultur" sorge schließlich für mehr Touristen, denn "nicht alle kommen wegen Schönbrunn nach Wien, sondern viele auch zum Feiern".
Weil immer mehr dieser Gäste aber nicht in leicht kontrollierbaren Hotels, sondern in privaten Unterkünften nächtigen, will die Gemeinde einschlägige Vermittlungsplattformen wie Airbnb stärker in die Pflicht nehmen. Derartige Anbieter sollen per Novellierung des Tourismusförderungsgesetzes verpflichtet werden, Identifikations- und Kontaktdaten der bei ihnen registrierten Unterkunftgeber zu melden.
Das soll der Stadt die Einhebung der Ortstaxe auch bei Privatvermietungen erleichtern. Derzeit gebe es nur Schätzungen über die Anzahl der Unterkünfte, sagte Tanja Wehsely (SPÖ), die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses; die Dunkelziffer belaufe sich auf etwa 6.000 Anbieter. Verstöße gegen die Anzeigenpflicht werden in Zukunft mit 2.100 statt 420 Euro geahndet.
Beratungen statt Anzeigen
Neben der bereits bekannten Neuregelung der Schanigärtenöffnung in den Wintermonaten gingen Brauner, Kraus und Wehsely auch auf neue Forderungen an den Bund zur Liberalisierung des Gewerberechts ein. Teilgewerbe wie Fahrradwerkstätten und Änderungsschneidereien sollen freigegeben und der Pool an reglementierten Gewerben auf jene rund 20 reduziert werden, "bei denen unsachgemäße Ausübung erhebliche Gefahr für Gesundheit, Leben oder Vermögen" darstellt.
Gewerbliche Tätigkeiten für "bloß ein paar Tage oder Wochen", etwa Pop-up-Stores, sollen zudem ganz vom Betriebsanlagenrecht ausgenommen werden. Nicht schwerwiegende Auflagenübertretungen sollen schließlich nicht mehr automatisch angezeigt, sondern über Beratungen und Mahnungen gelöst werden. (Michael Matzenberger, 14.9.2016)