Muslimische Gedenkzeremonie für Opfer der Inselteilung 1974.

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Nikosia/Athen – Sie sind in der Altstadt von Nikosia Kaffee trinken gegangen, haben hinter der Kamera miteinander gespaßt, als sie auf Türkisch und Griechisch die ersten gemeinsamen Neujahrswünsche an die Zyprioten probten. Und sie führen seit Mai 2015 Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der Insel, die als die aussichtsreichsten gelten seit der türkischen Invasion und der Teilung Zyperns 1974, vor mehr als vier Jahrzehnten. Nun haben Nikos Anastasiades und Mustafa Akıncı Bilanz gezogen.

Noch dieses Jahr soll das Abkommen stehen, teilten der griechisch-zypriotische Präsident und der Führer der türkisch-zypriotischen Volksgruppe am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung mit. Bedeutende Fortschritte in Fragen der Machtaufteilung, der Wirtschaft und des Grundeigentums von Flüchtlingen auf beiden Seiten seien erreicht worden, so hieß es in dem Papier, das der Sonderbeauftragte der Uno, der Norweger Espen Barth Eide, verlas. "Doch einige substanzielle unterschiedliche Auffassungen bleiben noch."

Besprechungs-Marathon

Acht Treffen zwischen Anastasiades und Akıncı nach der Sommerpause im August hatten höhere Erwartungen geweckt. Die Chemie zwischen dem konservativen Griechen und dem sozialdemokratischen Türken stimmt, so sagen Beobachter übereinstimmend. Beide wollen nun am 25. September am Rand der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York mit Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon den weiteren Weg beraten. Auch wenn die Verhandlungen bisher vielversprechend verliefen, so gelten sie doch auch als der letzte Versuch, zu einem vereinigten Zypern zu kommen.

Scheitern die Verhandlungen oder – die nächste Stufe – ein Referendum im Frühjahr 2017, dann sind die politischen Folgen für den türkischen Teil, die international nicht anerkannte Türkische Republik Nordzypern, wohl noch gravierender als für den griechischen Süden. "Dann werden wir nur ein Teil der Türkei sein", sagt Zeki Çeler. Mit 35 Jahren ist er der jüngste Abgeordnete im Parlament in Lefkoşa, wie die geteilte Inselhauptstadt Nikosia von den Türken genannt wird.

Ankaras religiöser Anspruch

Der große Bruder Türkei zahlt einen bedeutenden Teil des Haushalts und der Beamten im Norden Zyperns. Er gewinnt die Privatisierungen öffentlicher Unternehmen, bohrt nach Gas, liefert seit kurzem auch Trinkwasser durch eine Pipeline vom türkischen Festland und hat seit der Invasion 1974 wenigstens 30.000 Soldaten stationiert. Mittlerweile aber macht sich auch der religiöse Führungsanspruch der konservativ-islamischen Regierung in Ankara bemerkbar, und das stört Zeki Çeler, den Sozialdemokraten von Akıncıs früherer Partei, besonders. Die türkischen Zyprioten gelten als säkular. Barbecue, Bier und Kasinos sind eher ihr Leben, nicht der tägliche Besuch der Moschee.

Im Sommer protestierten junge Zyprioten im türkischen Teil mit Kundgebungen und Sleep-ins vor dem Parlament in Lefkoşa gegen den jüngsten Einfall der Erdogan-Türkei: ein "Koordinierungsbüro", das der Regierung in Ankara maßgeblich Mitsprache in der Jugend- und Sportpolitik im Norden Zyperns geben soll – mit islamischen Vorzeichen. Dabei geht es auch um die Finanzierung von NGOs und Jugendvereinen aus öffentlichen Mitteln.

Ein entsprechendes Abkommen wurde bereits unterschrieben. "Es passt nicht zu unserer sozialen Kultur", erklärt Çeler. Für viele Türken im Inselnorden ist die Wiedervereinigung Zyperns eine Chance, der Umklammerung durch die Türkei zu entkommen. Dass die Griechen im Süden ihnen das versagen könnten, wirkt deshalb besonders ironisch. Das Zypern-Problem müsse gelöst werden, und es müsse jetzt gelöst werden, forderte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch noch in seiner Rede im Straßburger Parlament. (Markus Bernath, 14.9.2016)