Freundlich im Ton, hart in der Sache: Bundeskanzler Christian Kern musste sich bei der Enquete zu TTIP und Ceta im Parlament einiges an Kritik von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gefallen lassen.

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Wien – Es sind entscheidende Wochen für die Politik. Drei Monate nach dem Brexit-Votum, und wenige Wochen bevor das umstrittene Handelsabkommen Ceta unterschrieben werden soll, stellt sich für die heimische Regierung die Frage, wie sie mit lauter werdenden Gegnern von Freihandel und Globalisierung umgehen soll.

Am Mittwoch fand im Parlament eine Enquete zu TTIP und Ceta statt, die zeigt, in welche Richtung es geht. Dabei wurden auch die Kritiker von Attac, Global 2000 und diversen anderen Organisationen eingeladen. Gemeinsam mit unter anderem EU-Abgeordneten, den Botschaftern der USA und Kanada, Ökonomen, Juristen und Sozialpartnern wurde über die Abkommen diskutiert.

Die zwei Dutzend Besucher vor Ort konnten keine anregende Debatte beobachten. Dafür waren die jeweils nur ein paar Minuten langen Wortmeldungen zu kurz. Einiges lässt sich aus der politischen Diskussion aber trotzdem lernen.

Kern: "Viele sind enttäuscht"

Die SPÖ distanziert sich immer weiter von den Abkommen, die sie vor einigen Jahren noch selbst in Auftrag gegeben hat. Dabei sagte Kanzler Christian Kern bei seiner Rede im Parlament ganz offen, dass es bei der Debatte um TTIP und Ceta um viel mehr als nur die Abkommen gehe. Nach 30 Jahren "massiver, beschleunigter Globalisierung" würden sich viele die Frage stellen, wie die daraus lukrierten Gewinne verteilt werden. "Viele sind enttäuscht", so Kern.

Ein Globalisierungsgegner wird aus dem Ex-ÖBB-Manager aber trotzdem keiner mehr. Es sei völlig klar, dass Österreich vom freien Handel, von offenen Grenzen und einer offenen Wirtschaft profitiere. Das Abkommen mit Kanada sei wahrscheinlich das beste, das die EU je verhandelt habe. Es gehe bei Ceta aber nichtsdestotrotz um mehr als nur freien Handel. Bei einigen Punkten könne man nicht mit.

Telefonat mit Trudeau

Genau darüber wird Kanadas Premier Justin Trudeau mit Kern reden. Laut "Presse" gab es am Mittwoch bereits ein mehr als halbstündiges Telefonat zwischen Trudeau und Kern. Für kommende Woche ist ein Treffen der beiden am Rande der UN-Generalversammlung in New York geplant.

Auch die bei der Enquete anwesende EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström bezeichnete Ceta als das beste Abkommen, das die EU jemals ausverhandelt habe. Österreichs Unternehmen könnten davon nur profitieren. Zwar werde der Handel ohne Ceta nicht abnehmen, aber es gebe die Möglichkeit, 400 Millionen Euro pro Jahr an Zöllen zu eliminieren und Zugang zum 30 Milliarden Euro schweren kanadischen Beschaffungsmarkt zu bekommen. "Warum dazu nein sagen?" so Malmström, "warum sich gegen alle Vorteile wehren".

Gemäßigte ÖVP-Kritik

Die ÖVP will sich der wachsenden Kritik an den Abkommen nicht verschließen, geht aber auf klare Distanz zur SPÖ-Linie. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat ja vorgeschlagen, mit TTIP nach den US-Wahlen von vorne zu beginnen. Bei Ceta seien die Bedenken aber ausgeräumt worden, sagte er am Mittwoch. Er kritisierte den neben ihm sitzenden Kern auch direkt. Die Daseinsvorsorge, die der Bundeskanzler zuvor als Kandidat für eine mögliche Liberalisierung ins Spiel gebracht hat, sei nicht gefährdet. "Wir müssen weder Pensionen noch Wasser noch Spitäler privatisieren", sagte der ÖVP-Chef.

Bei den Schiedsgerichten sei die Kritik des Kanzlers ebenso nicht zutreffend. Die Gerichte seien in Ceta reformiert, entgangene Gewinne könnten nur bei Fehlverhalten eines Staates eingeklagt werden. Ceta werde darüber hinaus mit oder ohne Unterstützung Österreichs kommen. Österreich dürfe deshalb nicht sinnlos seine Reputation aufs Spiel setzen.

Zur Presse sagte Mitterlehner am Dienstag, er erkenne bei Kern "Tendenzen eines realen Sozialismus mit menschlichem Antlitz". Seine Parteikollegin Angelika Winzig hatte einen Ratschlag an die TTIP-Kritiker. Es sei einfach, niemand müsse Produkte von riesigen Konzernen wie Apple oder Facebook nutzen, so Winzig.

FPÖ-Frontalangriff

Die FPÖ, die seit Monaten in Umfragen weit vor den beiden Regierungsparteien liegt, formulierte ihre Kritik am Mittwoch grundsätzlicher. Der blaue Europasprecher, Johannes Hübner, richtete sich mit seiner Rede nicht an die Abgeordneten, sondern an den Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Jörg Wojahn, der zuvor die Vorteile der Freihandelsstrategie der Union erläuterte.

"Die USA haben in der Weltgeschichte ökonomische Erpressung immer zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt", sagte Hübner. Da gebe es dutzende Beispiele, es zeige sich auch am Umgang mit Russland, da sei die EU in die Knie gegangen. Durch TTIP würden die USA ein legales Mittel in die Hände bekommen, um die Gesetzgebung in Europa zu behindern. "Mit so einem Staat wollen Sie ein Abkommen abschließen?" (Andreas Sator, 14.9.2016)