The Sixth Sense, ehedem das tollste Springpferd der Welt, geht in Pension. (Auch im Bild: die Springreiter Max Kühner (li) und Thomas Frühmann)

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Die Hand, der Schenkel, der Sitz oder auch das Gefühl, die Kondition, die Kraft. All das mag einen guten Reiter ausmachen, doch all das ist nichts ohne das Auge. Ein Reiter, dem das Auge für gute Pferde fehlt, wird flott zum Fußgänger. Thomas Frühmann hat sich selten per pedes fortbewegt. Der 65-jährige Wiener ist einer der erfolgreichsten Springreiter der Welt, er hat die Hand und alles andere, vor allem hat er das Auge. Frühmann hat viele tolle Rösser gesattelt, das wohl tollste ist The Sixth Sense. Spitzname: die Sense.

Am Samstag wird die Sense in Pension geschickt. Die offizielle Verabschiedung des 20-jährigen westfälischen Wallachs ist beim großen Turnier in der Wiener Krieau ein eigener Programmpunkt. Ein bisserl viel Brimborium um ein Pferd, mögen manche denken. Doch The Sixth Sense ist nicht einfach nur ein Pferd. "Er ist ein Künstler, der alles kann", singt Frühmann ein Loblied. "Er ist Mozart und Freddie Mercury." Vor zehn Jahren hat Frühmann die Riders Tour gewonnen, folgerichtig erhielt The Sixth Sense den Titel "Weltbestes Springpferd 2006". Ein Ross in österreichischem Besitz mit österreichischem Reiter als Nummer eins der Welt? Eine Sensation.

2004 befand sich Frühmann auf dem Heimweg von einer Auktion in Norddeutschland, wo ihm kein Ross ins Auge gesprungen war. Da bog er in Bayern noch einmal ab, die Sense hatte er zuvor auf einigen kleinen Turnieren gesehen. "Nicht einmal g'scheit ausprobiert hab' ich ihn, fast aus der Verzweiflung heraus hab' ich ihn genommen."

The Sixth Sense ist kein sehr schönes Pferd. Oft hängt ihm die Zunge aus dem Maul. Die halbseitige Lippenlähmung rührt daher, dass sich der Braune im Fohlenalter mit der Lippe in Stacheldraht verfing. Frühmann: "Er musste kämpfen, um das zu überleben. Und er ist ein Kämpfer geblieben." Ein Kämpfer, der unzählige große Preise holte.

Den seinerzeitigen Kaufpreis beziffert Frühmann nicht, in Relation zur späteren Gewinnsumme, mehr als zwei Millionen Euro, habe das Pferd "einen Pappenstiel" gekostet. Für den Pappenstiel ist Frühmanns Exfrau Serena Hamberg aufgekommen. Noch nicht ganz heraußen ist, auf welcher Koppel The Sixth Sense seinen Lebensabend verbringt, ob bei Hamberg in der Schwechater Peripherie oder bei Frühmann in Kuchl bei Salzburg. Da oder dort wird man garantiert ein Auge darauf haben, dass es der Sense an nichts fehlt. (Fritz Neumann, 16.9.2016)