Milorad Dodik beharrt auf den Feiertag, der Bosniaken und Kroaten ausschließt.

Und er macht es trotzdem! Der Präsident des bosnischen Landesteils Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, will weiterhin am 25. September die Bevölkerung befragen, ob sie am 9. Jänner den Tag der Republika Srpska feiern wollen. Das bosnische Verfassungsgericht hatte am 26. November 2015 entschieden, dass das Gesetz über die Feiertage in der RS nicht verfassungskonform sei, und forderte das Parlament der RS auf, dieses innerhalb des nächsten halben Jahres zu ändern. Am Samstag bestätigte es diese Entscheidung. Dodik, der seit Jahren die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina fordert, meinte, mit der Entscheidung vom Samstag habe sich gezeigt, dass das Verfassungsgericht unter "politischem Einfluss" stehe und "zulasten des serbischen Volkes" entscheide. Er werde also trotzdem das Referendum durchführen.

Dodik weiß, dass er mit dieser trotzigen Haltung und Widerstandsgesten gegen Entscheidungen der "Ausländer" und aus "Sarajevo" punkten kann. Andere Populisten in Europa gewinnen schließlich auch mit der Faust, die sie gegen Brüssel ballen.

Serbischer Feiertag

Bei dem Referendum geht es um den "Nationalfeiertag" der RS am 9. Jänner, der an die Gründung im Jahr 1992 erinnern soll. Das Verfassungsgericht hatte argumentiert, dass die Abhaltung des Feiertags gegenüber Nichtorthodoxen in der RS diskriminierend sei, und berief sich unter anderem auf die Menschenrechtskonvention. Der Feiertag der RS fällt auf den Tag, an dem in der orthodoxen Kirche der Heilige Stephan gefeiert wird.

Allerdings geht es beim RS-Feiertag viel mehr darum, dass die nationalistische Führung in Banja Luka jedes Jahr demonstrieren will, dass die RS wichtiger ist als der Gesamtstaat. Die meisten bosnischen Serben waren bereits 1992 gegen den Staat Bosnien-Herzegowina und nahmen am Unabhängigkeitsreferendum nicht teil. Auch heute geht es um Selbstbehauptung. Viele Leute in der RS sehen sich durch die Entscheidung gegen den Feiertag angegriffen.

Die Fragestellung beim Referendum soll am 25. September lauten: "Sind Sie damit einverstanden, dass der 9. Jänner als Tag der Republika Srpska bezeichnet und gefeiert werden soll?" Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, warnte am Samstag erneut vor der Abstimmung und forderte dazu auf, die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu akzeptieren. Es gehe nicht um Feiertage in der RS, sondern um die Verleugnung der staatlichen Justiz. Inzko warnte zudem vor einer Destabilisierung des Landes. Tatsächlich ist die Anspannung in Bosnien-Herzegowina zu bemerken. Viele Bürger machen sich Sorgen, dass die politische Eskalation zu Gewalt führen könnte. Die Angst vor einem neuerlichen Krieg ist nicht erst seit der Referendumscausa präsent.

Auch der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić warnt vor dem Referendum. Ein Verstoß gegen das Dayton-Friedensabkommen wäre ein "großes Problem für alle", auch wenn das Abkommen von 1995 nicht ideal sei, mahnte Vučić am Sonntagabend im staatlichen serbischen TV-Sender RTS.

Provokateur Izetbegović

Die Feiertagskrise hat der Chef der größten bosniakischen Partei, der SDA, Bakir Izetbegović ausgelöst. Er hatte im Jahr 2013 in seiner Funktion als Mitglied des Staatspräsidiums das Verfassungsgericht aufgefordert, die Verfassungskonformität des Feiertags zu prüfen. Politisch betrachtet, war das eine Provokation, denn der RS-Tag ist für viele Leute wichtig. Kritiker meinen, Izetbegović hätte damit Dodik nur den Ball zugespielt und die Auseinandersetzungen unnötigerweise verschärft.

Tatsächlich punkten Politiker aller ethnonationaler Parteien in Bosnien-Herzegowina oft mit wechselseitigen Provokationen. Von der Feiertagskrise könnten also bosniakische und serbische Politiker profitieren. Denn am 2. Oktober finden in Bosnien-Herzegowina Lokalwahlen statt. Die Chancen für Dodiks SNDS zu gewinnen sind angesichts des Referendums, das nur eine Woche vorher stattfinden soll, besser. Denn üblicherweise vereint sich die Bevölkerung hinter nationalen Empörungsthemen, wie unwichtig diese auch in der Sache sein mögen.

Die rechtliche Bedeutung des Referendums am 25. September ist umstritten. Manche Juristen meinen, dass es bei der Fragestellung nicht um ein Gesetz ginge, sondern um eine reine Befragung des Volkes. Juristisch betrachtet sei es kein Referendum, sondern eine Volksbefragung. Andere Experten meinen, dass es sich durchaus um eine Abstimmung über eine Entscheidung des Verfassungsgerichts handeln würde. Dieser Interpretation schließt sich auch das Amt des Hohen Vertreters (OHR) an. Über eine bereits erfolgte Entscheidung des Verfassungsgerichts könne aber nicht mittels eines Referendums abgestimmt werden – denn diese müsse unbedingt eingehalten werden.

Serben fühlen sich überstimmt

Deshalb betonte der Hohe Repräsentant Inzko am Samstag auch, dass der Verfassungsgerichtshof im Annex 4 des Vertrags von Dayton verankert sei und dass sich alle an die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu halten hätten. Das Verfassungsgericht hat neun Richter, jeweils zwei von den drei sogenannten "Volksgruppen" – also zwei Bosniaken, zwei Serben und zwei Kroaten und drei internationale Richter. Die Beibehaltung der drei internationalen Richter in dem Gremium, 21 Jahre nach dem Friedensvertrag von Dayton, sorgt für Kritik. Denn diese Richter können einfach für Mehrheiten sorgen. In diesem Fall fühlen sich die Serben überstimmt.

Die Argumentation der Richter lautet, dass die Abhaltung des Feiertags deshalb verfassungswidrig sei, weil Nichtorthodoxe diskriminiert würden. Das Argument leuchtet nicht allen Juristen ein. Manche Rechtsexperten meinen etwa, dass es auch für Nichtkatholiken nicht diskriminierend sei, wenn für alle Österreicher zu Ostern Feiertag sei. Das bosnische Verfassungsgericht argumentierte inhaltlich, dass es problematisch sei, wenn ein säkularer Feiertag (Tag der Republika Srpska) auf einen religiösen Feiertag (Heiliger Diakon Stephan) von nur einer von mehreren Religionsgruppen falle. Kritiker meinen, es wäre klarer gewesen, hätte das Verfassungsgericht nicht auf den orthodoxen Feiertag hingewiesen, sondern den Bezug zum Jahr 1992 hergestellt. Denn die Verfasstheit der Republika Srpska, wie man sie damals von serbisch-nationalistischer Seite angedacht hat, sei an sich diskriminierend gewesen.

Historische Wurzeln

Tatsächlich spricht viel für diese Sichtweise. Denn es ging der nationalistisch-serbischen Führung rund um den mittlerweile verurteilten Kriegsverbrecher Radovan Karadžić bei der Ausrufung dieser "Republik" darum, möglichst große Teile von Bosnien-Herzegowina unter ihre Kontrolle zu bringen und die "Serben" von den anderen Volksgruppen zu "trennen", um dann die RS an Serbien anzuschließen und ein Großserbien zu schaffen. De facto führte dieses Ansinnen in den folgenden Kriegsjahren in der RS zu Massenvertreibungen, ethnischen Säuberungen und zum Genozid. Bereits im Oktober 1991 wurde eine eigene "Versammlung der Serben" geschaffen, und im November wurden "autonome Distrikte" ausgerufen. Im Dezember instruierte die nationalistische Partei von Karadžić, die SDS ihre Parteileute in den Gemeinden und Krisenstäbe zu formieren und die Polizei, das Militär und andere bewaffneten Einheiten unter ihre Kontrolle zu bringen.

Am 9. Jänner wurde die Zusammenfassung der autonomen Distrikte als Republik bezeichnet. Dazu wurden auch jene Regionen gezählt, in denen im Zweiten Weltkrieg ein Genozid gegen die Serben durchgeführt worden war. Mit diesem Verweis konnte man praktisch auf das gesamte Gebiet Bosnien-Herzegowinas Anspruch erheben. Karadžić sprach 1991 von etwa 70 Prozent des Territoriums. Ab Mai 1992 wurden tausende Nichtserben aus der RS deportiert. Die rassistischen Nationalisten wollten einen ethnisch gesäuberten Staat. Und die Bevölkerung – auch die Serben – wurde mittels der Medien in Angst und Schrecken versetzt. Angesichts dieser Geschichte ist es leicht nachzuvollziehen, weshalb Nichtserben in der RS den 9. Jänner nicht feiern wollen.

Strikte Zugehörigkeiten

Interessant ist zudem, dass am 9. Jänner 1992 die "Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina" ausgerufen wurde. Sie wurde erst später nur mehr als "Republika Srpska" bezeichnet. Heute will die Führung in Banja Luka nichts mehr mit Bosnien-Herzegowina zu tun haben. Wo und wann immer es geht, wird versucht, das Wort "bosnisch" zu vermeiden. Dodik sagte nun am Samstag, dass die Bosniaken den 9. Jänner nicht feiern müssten, wenn sie nicht wollten. Was Dodik nicht erwähnt: Die Bosniaken und Kroaten sind – obwohl nur wenige mehr in der RS leben – keine Minderheit, sondern "konstitutive Völker" wie die Serben. Sie sind auch Bürger der RS. Ein inklusiver gemeinsamer Feiertag aller Bürger ist aber offensichtlich kein politisches Ziel. Laut dem Zensus aus dem Jahr 2013 leben in der RS 81,5 Prozent Serben, 14 Prozent Bosniaken und 2,4 Prozent Kroaten.

In Bosnien-Herzegowina gelten aktuell aufgrund der Ethnisierung der Identitätspolitik alle Orthodoxen als Serben, alle Muslime als Bosniaken und alle Katholiken als Kroaten. Entscheidend ist aber nicht der Glaube, sondern die Herkunft, also der Nachname. Wenn jemand also Mustafa Hadžibegović heißt, gilt er aufgrund des Namens sofort als Muslim und Bosniake, wenn einer Milorad Vasković heißt, wird er sofort als orthodox eingestuft und Serbe genannt, und wenn einer Ante Horvat heißt, gilt er als katholisch und als ein Kroate. Was jemand denkt, als was sich jemand selbst empfindet oder ob sich jemand überhaupt mit irgendetwas identifizieren will, ist egal. Von Geburt an wird man zugeordnet. Das Individuum zählt nicht, sondern die Gruppenzugehörigkeit. Seit dem Bosnienkrieg (1992–1995) hat sich diese Identitätspolitik noch verschärft, weil die meisten Politiker sie bis heute aktiv betreiben und so die Bevölkerung spalten. Vor dem 19. Jahrhundert waren die ethnonationalen Identitäten nur schwach ausgeprägt, man ordnete sich Religionsgruppen zu.

Die Südosteuropäer sind wie die Mitteleuropäer stark durch die verschiedenen Völkerwanderungen geprägt. Die Vorstellung, von einer bestimmten Volksgruppe abzustammen, ist allerdings so dominant, dass die allermeisten Menschen dies gar nicht hinterfragen. Die eigene Identität wird quasi als Naturgesetz verstanden und nicht als etwas von der Politik Geschaffenes. (19.9.2016)