In der Druckerei der kbprint wurden die ursprünglichen Wahlkarten hergestellt – mit Klebeproblemen. Nun soll das Unternehmen den neuen Auftrag an einen Subunternehmer vergeben.

Foto: APA / BMI / Robert Stein

Wien – Das Innenministerium ist nach Medienberichten vom ursprünglichen Plan, den Druck der Wahlkarten für die Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember ohne Ausschreibung an die Österreichische Staatsdruckerei zu vergeben, wieder abgegangen. Innenminister Wolfgang Sobotka hatte diese Vorgangsweise mit "Gefahr in Verzug" argumentiert, nun aber doch eine andere Lösung gewählt – auch wegen rechtlicher Risiken.

Das Vergaberecht kennt einen "Katastrophenparagrafen" für Dringlichkeit. Gedacht ist z. B. an Naturkatastrophen, die eine sofortige Beschaffung erfordern. So braucht man bei einer Überschwemmung sofort Sandsäcke, um Dämme zu bauen.

Wie jede Ausnahme ist auch diese eng auszulegen. Das Vergaberecht verlangt eine Dringlichkeit, die zwingend nur durch sofortige Beschaffung abgewendet werden kann. Für die Beachtung vergaberechtlicher Fristen, z. B. für die Angebotserstellung durch mehrere Bieter, bleibt bei solchen Katastrophen keine Zeit. Diese Unmöglichkeit der Einhaltung von Fristen ist die Rechtfertigung für den Verzicht auf einen Bieterwettbewerb.

Reicht die Zeit von Mitte September bis Anfang Dezember nicht aus, um mit den ohnehin im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Fristverkürzung "aus Gründen der Dringlichkeit" auszukommen und trotzdem öffentlich auszuschreiben? Bei einem nichtoffenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung kann man die Dauer bis zur Beauftragung der neuen Druckerei auf rund 30 Tage verkürzen.

Vergaberecht ist EU-Recht

Bei einem Verhandlungsverfahren kann man noch schneller sein. Die neue Druckerei könnte Mitte Oktober mit dem Druck und der Auslieferung der Wahlkarten beginnen. Ob diese Zeit technisch ausreichend ist, müssen andere beurteilen. Die Zeit für ein Nachprüfungsverfahren, die eigentlich auch eingeplant werden muss, ist hier noch nicht berücksichtigt. Rechnet man diese sechs Wochen hinzu, wird die Zeit für Druck und Verteilung knapp.

Vielleicht beseitigt schon ein um ein oder zwei Wochen späterer Wahltermin die Dringlichkeit und entspricht trotzdem den gesetzlichen Vorgaben für die Wahl des Bundespräsidenten. Übrigens: Während das Bundespräsidentenwahlgesetz durch ein österreichisches Gesetz geändert werden kann, ist ein Abweichen vom EU-rechtlich vorgegebenen Vergaberecht nicht möglich.

Wie auch immer, die genannte Dringlichkeit allein reicht noch nicht. Das Innenministerium darf die Dringlichkeit nicht verursacht haben – auch nicht unverschuldet. Die bisherigen, defekten Wahlkarten hat aber das Ministerium selbst bestellt.

Kleiner Schönheitsfehler

Die Idee einer Ersatzlieferung durch Subunternehmer ist eleganter, weil gar kein neuer öffentlicher Auftrag benötigt wird. Ein kleiner Schönheitsfehler ist, dass keine Ersatzlieferung der ursprünglich bestellten Wahlkarten verlangt wird, sondern andere Karten (wie 2009).

Man kann der Meinung sein, dass es sich in Wahrheit um eine so weitgehende Änderung handelt, dass wieder eine Neuausschreibung erforderlich wird. Ironischerweise ist die einschlägige Entscheidung des EuGH dazu (C 454/06, Pressetext) zu einem Auftrag an die Austria Presse Agentur ergangen.

Die Entscheidung des Innenministers ist nicht leicht. Passiert ein vergaberechtlicher Fehler, drohen verschiedene Konsequenzen. Rechtlich interessant ist, ob ein übergangener Interessent mit einem Rechtsmittel die Wahl verhindern kann. Um eine unmittelbar drohende Schädigung seiner Interessen zu verhindern, sind nämlich durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen.

Neuerliche Verschiebung

Das ist Routine. Im konkreten Fall könnte aber die vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorzunehmende Interessenabwägung ausnahmsweise gegen den Antragsteller ausgehen. Denn eine Verfügung, welche die Auftragserteilung für den Druck der Wahlkarten bis zu Ende eines Nachprüfungsverfahrens (bis zu sechs Wochen) untersagt, kann zur neuerlichen Wahlverschiebung führen. Also könnte einer der seltenen Fälle eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeben sein.

Wer mit einer Wahlkarte wählt, sollte sich darauf verlassen können, dass seine Stimme gültig ist. Ist eine Stimme aber ungültig, wenn sie mit einer vergaberechtswidrig beschafften Wahlkarte abgegeben wird? Das muss erst begründet werden. Irgendwo endet auch die Tragweite vergaberechtlicher Risiken und die Qual für die Wahl mit dem Vergaberecht. (Thomas Hamerl, 19.9.2016)