Der ehemalige russische Premierminister Wiktor Tschernomyrdin hat schon vor vielen Jahren mit einem seiner berühmt-berüchtigten Aphorismen den Nagel auf den Kopf getroffen: "Welche Partei wir auch schaffen, es kommt immer eine KPdSU dabei heraus", sagte er. Tschernomyrdin, der schon zu Sowjetzeiten Karriere im Partei- und Staatsapparat gemacht hatte, kannte sich aus im Denken der Moskauer Nomenklatura. Die Allmacht der Bürokratenpartei Einiges Russland bestätigt seine These aufs Neue.

Selten war ein Sieg so vorhersehbar wie der des Einigen Russlands bei der Duma-Wahl. Niemand in Russland hat daran gezweifelt, wer die meisten Stimmen im Land auf sich vereinen würde. Allenfalls die Höhe des Erfolgs hat die Politologen und Meinungsforscher überrascht, denn die Unzufriedenheit mit der Regierung ist beim Volk angesichts der ins dritte Jahr gehenden Rezession spürbar.

Doch viele Russen trennen weiterhin strikt – so schizophren das für einen westlichen Beobachter auch klingen mag – Wladimir Putin von der Regierungsmannschaft um Dmitri Medwedew. Guter Zar, böse Bojaren. Allein hätte Medwedew womöglich tatsächlich eine Schlappe erlitten, doch nachdem Putin sich von seiner einstigen Haltung als über den Parteien stehender Präsident verabschiedet und aktiv für Einiges Russland geworben hatte, war der Wahlkampf entschieden.

Putins Eingreifen hatte Signalwirkung für zwei Gruppen: das Heer an Funktionären im Staatsapparat, die nun mit administrativen Mitteln die "üblichen Verdächtigen" – Uniformierte, kleine Beamte und andere Abhängige der öffentlichen Hand – zu den Wahlen trieben, womit sich die These der KPdSU bestätigt.

Die zweite Gruppe umfasst das Gros der konservativen Wähler selbst. So unzufrieden viele Russen mit der Innenpolitik sind, Putins außenpolitisches Auftreten wird von den meisten goutiert. Nach einem Jahrzehnt der Schwäche und Erniedrigung unter Boris Jelzin ist das nun vom Kreml nach außen demonstrierte Selbstbewusstsein Balsam auf viele Seelen; mag es im Ausland auch wie pubertäre Rüpelei aufgenommen werden.

Solange der Ost-West-Gegensatz in dieser Schärfe bestehen bleibt, wie er seit über zwei Jahren in der Ukraine an den Tag tritt, wird sich auch die russische Bevölkerung hinter Putin als starkem Führer scharen. Man tut gut daran, sich schon jetzt darauf einzustellen, dass Putin sich nach dieser gelungenen Generalprobe 2018 noch einmal für (mindestens) weitere sechs Jahre im Amt bestätigen lassen wird.

Besorgniserregend in dieser "gelenkten Demokratie" ist das Fehlen von Akteuren auf dem politischen Spielfeld. Der letzte gewichtige Gegenspieler, den Putin hatte, war Jewgeni Primakow 1999. Danach hat sich der Kreml-Chef aller potenziellen Rivalen frühzeitig entledigt. Die Monopolisierung der Politik hat viele Facetten: Sei es die Ausschaltung unabhängiger Medien, die Gängelung der Opposition oder die Liquidierung der Zivilgesellschaft.

Bei der Duma-Wahl haben sich die ersten Nebenwirkungen gezeigt. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 48 Prozent miserabel. Die politische Apathie ist gefährlich, denn Russland droht damit der Stillstand – auch ökonomisch. Wem gleichgültig ist, was mit dem Land politisch geschieht, wird sich auch nicht in dessen wirtschaftliche Entwicklung einbringen. (André Ballin, 19.9.2016)