Jetzt wird es Ernst: Nikolai Gemel; Ursula Strauss in "Pregau".

Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Schöne Leiche: Zoe Straub in "Pregau".

Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Wien – Eine Verkehrskontrolle, ein leichtsinniger Fehler, ein Unfall mit fatalen Folgen: Der ORF-Vierteiler "Pregau" beginnt zwar harmlos, offenbart aber zusehends ein weitverzweigtes Lügengebäude, in dem viele bis zum Äußersten gehen. Oder wie es Hauptdarsteller Maximilian Brückner beschreibt: "Ein wahnsinniger Liebesfilm, in dem Sachen gemacht werden, die moralisch nicht in Ordnung sind."

Familientragödie

Am Montagabend wurde in Wien eine erste Vorschau auf die ORF/ARD-Koproduktion gegeben, die ab 26. September an vier Abenden gezeigt wird. Brückner spielt den Polizisten Hannes Bucher, der in der titelgebenden Heimatstadt seiner Frau Maria (Ursula Strauss) nicht nur mit der Ablehnung ihrer Familie umgehen muss, sondern auch ein ganz anderes Problem hat. Nach einem Fest erwischt er seine minderjährige Nichte Rosa (Zoe Straub) am Steuer eines Wagens – betrunken. Als er sie zur Rede stellt, verführt sie ihn, was von ihrem Freund Gregor (Michael Glantschnig) beobachtet wird. Kurze Zeit später ist Rosa tot und Gregor liegt im Koma.

"Es geht um eine Spirale", erklärt Brückner im Gespräch mit der APA. "Ein Polizist macht einen Fehler und treibt sich letztlich immer weiter. Man fragt sich: Warum steigt er nicht aus?" Emotional seien einige Handlungen zwar nachvollziehbar, so der bayerische Schauspieler. Aber je länger die Geschichte geht, umso weiter wagt sich Hannes vor. Schließlich kann er es gar nicht brauchen, dass das kleine, unüberlegte Techtelmechtel vor dem tödlichen Unfall ans Tageslicht gerät. Denn er liebt seine Frau und will die zusehends zerrüttete Ehe – nicht zuletzt der gemeinsamen Tochter Sandra (Antonia Jung) zuliebe – wieder kitten.

Nicht nur Hannes hat Probleme

Allerdings ist es nicht nur Hannes, der Probleme am Hals hat. Auch Maria hat seit der Rückkehr nach Pregau eine neue, andere Seite an sich entdeckt. "Sie war in ein Alltagsrad eingespannt und hat so lange für alle funktioniert", umreißt Strauss ihre Figur. "Sie ist der Liebe gefolgt und im Alltag versunken. Als sie zu ihren Wurzeln zurückkommt, bricht etwas in ihr auf und es macht sich eine Unzufriedenheit breit. Eine Sehnsucht nach mehr und nach Größerem. Das kleine Monster in ihr beginnt so zu wachsen und alles, wovor sie geflüchtet ist, beginnt sie einzuholen."

Um das Ehepaar Bucher herum hat Regisseur und Drehbuchautor Nils Willbrandt mehrere Dutzend Figuren geschart, die jeweils ihr eigenes Süppchen kochen. Oder wie es Strauss formuliert: "Es ist niemand ohne Schuld." Schließlich gibt es in Pregau auch viel Geld zu verdienen, bietet die örtliche Tierkörperverwertung folglich die passende Grundlage für politische Intrigen und hat offenbar auch die Kirche ihre Finger im Spiel. Insofern setzt Hannes mit seinen Lügen etwas in Bewegung, "was größer ist als er selbst", meint Willbrandt. "In 'Pregau' geht es letztlich um den Menschen – was er alles machen kann, wozu er fähig ist und was man manchmal gar nicht wissen will."

Geschichte in einer fiktiven Kleinstadt

Dass er diese Geschichte in einer fiktiven, irgendwo zwischen Salzburg und der Steiermark zu verortenden Kleinstadt angesiedelt hat, sei eher zweitrangig. "Es hätte überall spielen können", meint der Regisseur. "Es war einfach so, dass ich diese Lieblichkeiten als schönen Kontrast zu dem empfand, was dann stattfindet." Dass also die ländliche Idylle aufbricht und ihre schlimmsten Seiten zum Vorschein bringt. "Ein Film ist immer Verdichtung und Überhöhung", ergänzt Brückner. "Teilweise wird es Teile davon sicher so in irgendeinem Dorf geben, aber in dieser geballten Form hoffe ich doch nicht", schmunzelt der Schauspieler. "Aber natürlich: Es sind Abgründe. Es gibt nichts Interessanteres als zuzuschauen, was hinter den Kulissen abläuft."

Sozusagen einen Blick "backstage" soll auch die begleitende, vom Wiener Unternehmen Tonio entwickelte App bieten. Denn "Pregau" ist für den ORF nicht nur ein fiktionales Herbsthighlight, sondern weiterer Schritt in Richtung Ausbau der Second-Screen-Strategie. Die dafür gebastelte Anwendung ist "Lügendetektor und Online-Profiler in einem", wie Tonio-Geschäftsführer Florian Novak erläutert. Unterstützung erhielt man dafür vom Gerichtspsychiater Reinhard Haller, der die Charaktere analysiert. Wer die App parallel zum Filmkonsum laufen lässt, erfährt außerdem, welche Figuren gerade lügen und welche nicht oder kann sich zusätzlich freigeschaltete Dossiers zu Gemüte führen. Man kann also tiefer graben bei dieser Geschichte um Lügen, Verrat, Mord und Schuld, die eine Kleinstadt an den sprichwörtlichen Abgrund rückt. (APA, 20.9.2016)