Fern ist der schöne Götterfunken der Freude im Stück "Where are you Europe?".

Foto: Patrick Connor Klopf

Villach – Fast 100 Jahre ist es her, dass der Intellektuelle Richard Coudenhove-Kalergie mit Feuereifer zur Bildung eines vereinten Europas aufrief. Es sollte auf unserem Kontinent den Frieden sichern, den Wohlstand mehren, die Kultur vertiefen. Albert Einstein, Thomas Mann oder auch Konrad Adenauer ließen sich von jener Idee überzeugen, die schließlich in die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mündete.

Statt Frieden, Wohlstand und Kultur werden mit dieser zur Europäischen Union (EU) entwickelten Einrichtung inzwischen allerdings verbunden: Finanz- und Flüchtlingskrise, dunkle Wolken über einer Reihe von Volkswirtschaften, der Beinahe-Bankrott Griechenlands, der Austrittsbeschluss Großbritanniens usw.

Das desolate aktuelle Erscheinungsbild der EU wählte die neuebühne Villach zum Thema einer szenischen Collage, mit dem der Theaterherbst in der Draustadt eindrucksvoll startet. Feinsinnig, mit Gespür für die Komik ideologischer Verrenkungen und ohne tagespolitische Polemik schildert Regisseur Erik Jan Rippmann einen europäischen Traum, der reichlich zerfleddert in den Drahtmaschen des "sauberen Grenzmanagements" weht. Denkbar weit scheint dieser Traum von der Realisierung entfernt, wenn sich die fünf Darsteller am Schluss dieser Produktion nach allen Seiten vom Publikum abschotten.

Nationalhymnen mit Ablösung

Davor hatten 28 Nationalhymnen ein babylonisches Gewirr entfacht, aus dem nicht und nicht der schöne Götterfunken der Freude schlagen wollte. Nach einem Text von STANDARD-ALBUM-Redakteur Christoph Winder wird das Exit-Szenario bis "Uxit und Wixit" (Utah und Wien treten aus ihren jeweiligen Verbindungen aus) durchgespielt. Mit Antonio Fian werden die EU-Staaten so lange ausgesiebt, bis nur noch Estland und "mit Vorbehalt" Dänemark bleiben. Jelineks "Wellen" spülen Flüchtlingsleichen an die Strände der Badeparadiese, während Marine Le Pen einen "patriotischen Frühling" wittert und Nigel Farage sich über das Chaos belustigt zeigt.

Katrin Ackerl Konstantin kann wunderbar britisch versnobt sein, Alexander Mitterer ein grandioser bäuerlicher Sturschädel ("Mia samma mia"), Markus Schöttl besorgniserregend deutsch und die junge Simone Leski den Trotz der kleinen Mitgliedsländer sehr glaubhaft vermitteln. Dazwischen irrt der afghanische Asylwerber Zia Noori herum, dem das ganze Treiben fremd ist, das hier anscheinend nur gemacht wird, um eine Lösung zu verhindern. (Michael Cerha, 21.9.2016)