Wien – Weil sie nach dem Germanwings-Unglück, bei dem am 24. März 2015 alle 150 Insassen ums Leben kamen, ein falsches Foto des vermeintlichen Co-Piloten veröffentlicht hatte, der die Maschine zum Absturz gebracht haben dürfte, ist die Tageszeitung "Österreich" auch in zweiter Instanz verurteilt worden. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) sprach dem verwechselten Mann eine Entschädigung von 8.000 Euro zu.

Üble Nachrede

Das unverpixelte Bild des Betroffenen hatte sich neben der Schlagzeile "Todesflug: Es war Mord" am Cover des Blatts befunden. Schon in erster Instanz war "Österreich" nach dem Mediengesetz (MedienG) wegen übler Nachrede, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, und Verletzung der Unschuldsvermutung schuldig erkannt worden. Einen Verstoß gegen den in § 7a MedienG verankerten Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen konnte der Erstrichter allerdings nicht erkennen. Eine "Berichterstattung in Ostösterreich" könne keine "unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Fortkommens des in der Schweiz und in Deutschland aufhältigen Antragstellers" bewirken, lautete seine Begründung.

Das OLG hat diese Rechtsansicht vor wenigen Tagen korrigiert. Wie dem 21 Seiten umfassenden schriftlichen Urteil (Geschäftszahl 17 Bs 369/15m) zu entnehmen ist, das der APA vorliegt, suggeriere das veröffentlichte Foto beim Durchschnittleser "zweifelsfrei", der Abgebildete sei ein Massenmörder, so das OLG. Für das OLG steht außer Frage, dass die Veröffentlichung geeignet war, das Fortkommen des Mannes unverhältnismäßig zu beeinträchtigen: Seine Freundin wurde von Journalisten belagert, Bekannte hielten ihn für den Täter, er selbst bekam Probleme mit der Personalabteilung seiner Firma und wurde im Internet beschimpft und verflucht.

Nachweis konkreter Beeinträchtigung nicht erforderlich

Dabei war in diesem Fall – so das OLG – der Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung gar nicht erforderlich: "Der Umstand, dass sich eine Beeinträchtigung des Antragstellers durch die inkriminierte Veröffentlichung auf der Titelseite eines reichweitenstarken deutschsprachigen Boulevardmediums ergeben kann, ergibt sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung." Die Ansicht des Erstgerichts, die in Österreich erfolgte Bildveröffentlichung könne den im Ausland lebenden Mann nicht stark betroffen haben, bezeichnet das OLG als "lebensfremd".

Der Mann hat Bekannte und eine Freundin in Österreich und wurde von diesen auf das Foto angesprochen. Darüber hinaus weist das OLG auf einen weiteren Punkt hin: "Aufgrund der immer größeren sozialen Vernetzung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund der einprägsamen Berichterstattung auch zukünftig noch auf die Falschberichterstattung angesprochen wird."

Neben "Österreich" war auch die "Kronen Zeitung" einem Irrtum aufgesessen und hatte ein Foto des falschen Co-Piloten veröffentlicht. In letzterem Fall einigten sich beide Parteien auf einen außergerichtlichen Vergleich. (APA, 21.9.2016)