Eines der wichtigeren bilateralen Treffen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im Rahmen der diesjährigen Uno-Generalversammlung in New York sollte am Dienstagnachmittag (Ortszeit) jenes mit dem libyschen Amtskollegen Mohamed Siala sein. "Im Zusammenhang mit Flüchtlingsbewegungen und Migration bekommt die Mittelmeerroute eine entscheidende Bedeutung", sagte Kurz Dienstagmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).
Hauptbetroffener sei Italien, das im Vergleich zum Vorjahr mit steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert sei. Während in den Monaten März bis September – also nach der Schließung der Balkanroute – in Griechenland 41.000 Migranten angekommen seien, liege die Zahl im Falle Italiens bei 121.000 – das ist eine Steigerung von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Ankünfte in Griechenland machen hingegen "nur" 19 Prozent von jener des Vorjahres aus.
88 Prozent der Boote kommen aus Libyen
"Der Fokus muss daher Italien lauten", erklärte Kurz und führte aus: 88 Prozent der angekommenen oder aufgegriffenen Boote kommen aus Libyen (900 Schiffe), der Anteil der Männer auf diesen Booten liege bei 70 Prozent.
Italien brauche Unterstützung, appellierte auch Bundeskanzler Kern. "Wir haben größtes Interesse daran, dass Italien nicht alleingelassen wird bei der Bewältigung des Problems der Mittelmeerroute. Wenn die Flüchtlinge am Brenner stehen, ist es auch für Österreich zu spät, wir müssen früher ansetzen."
Warnung vor "Sogwirkung"
Außenminister Kurz unterstützte die Aussage des Bundeskanzlers: "Weder Italien noch Griechenland dürfen alleingelassen werden." Allerdings bleibe Italien die politische Verantwortung dafür, wie mit den in Italien gelandeten Flüchtlingen umgegangen werde. Die rasche Verteilung der Flüchtlinge auf das gesamte Staatsgebiet entlaste zwar die Auffangzentren auf Lampedusa und anderswo, aber diese Politik motiviere weitere Flüchtlinge dazu, ebenfalls das Risiko einzugehen und über das Meer nach Italien aufzubrechen. Italien sei daher gefordert, so Kurz, ein Aufnahmesystem zu schaffen, das eine solche "Sogwirkung" verhindere.
In New York habe man gemeinsam versucht, die internationale Gemeinschaft für dieses Thema zu sensibilisieren, sagten beide Regierungspolitiker, die in New York auch gemeinsam den scheidenden Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon besuchten. (Gianluca Wallisch aus New York, 20.9.2016)