Frauen, die sich spontan dazu entscheiden, das Spital nach einer Geburt früher zu verlassen, finden oft keine Kassenhebamme mehr.

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17 Kassenhebammen gibt es aktuell in Wien. Rein rechnerisch sind das jährlich 1.172 Geburten pro Hebamme, heißt es vom Wiener Hebammengremium. Zum Vergleich: Österreichweit (ohne Wien) kommen pro Jahr 317 Geburten auf eine Hebamme. Weil sich das in der Bundeshauptstadt nicht ausgehen kann, stehen zusätzlich 160 Wahlhebammen zur Verfügung. Diese müssen Eltern jedoch aus eigener Tasche bezahlen.

"In den Bezirken 1 bis 9, im 13. und 23. gibt es keine einzige Kassenhebamme", sagt die Leiterin des Wiener Hebammengremiums, Marianne Mayer. Sie fordert die Sicherstellung der extramuralen Wochenbettbetreuung und eine Aufstockung auf 62 Kassenstellen in Wien.

Wie in vielen anderen Bereichen des österreichischen Gesundheitswesens regelt ein Gesamtvertrag die Anzahl der Kassenstellen, in diesem Fall abgeschlossen zwischen Hauptverband und Österreichischem Hebammengremium. Auf Landesebene wird die Zahl der Vertragshebammen zwischen örtlicher Gebietskrankenkasse und der Landesgeschäftsstelle des Hebammengremiums festgelegt. Seit Abschluss dieses Vertrags 1997 hat sich etwa in Niederösterreich die Zahl der Kassenstellen verdreifacht. In Wien wurde im selben Zeitraum nur um eine Stelle erhöht. Das Wiener Hebammengremium fordert laut Mayer die Wiener Gebietskrankenkasse schon seit langer Zeit zur Aufstockung der Stellen auf, bisher habe man aber kein Gehör gefunden.

Bisher kein Konsens

Andrea Fleischmann von der Abteilung Vertragspartnerverrechnung und Verhandlung der WGKK will diesen Vorwurf nicht stehen lassen: "Uns ist klar, dass es Handlungsbedarf gibt. Es scheitert auch nicht am Geld, sondern daran, dass wir den Gesamtvertrag komplett überarbeiten wollen." Gemeinsam mit dem Hebammengremium habe man dafür auch schon ein neues Versorgungskonzept ausgearbeitet. "Dass wir im aktuellen Vertrag nur die Kassenstellen erhöhen, ist keine Option, weil diese Komponente mit vielen anderen zusammenhängt", sagt Fleischmann. Die Verhandlungen über einen neuen Gesamtvertrag laufen seit eineinhalb Jahren, österreichweit sei es bisher jedoch zu keinem Konsens gekommen.

Dass der Bedarf an Hebammen steigt, liegt nicht zuletzt daran, dass Frauen mit ihren Neugeborenen immer früher die Krankenhäuser verlassen. Sie werden sogar dazu gedrängt, weil Kosten eingespart werden müssen und nicht genug Betten vorhanden sind, erzählt der Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Leiter der Abteilung für Geburtshilfe am AKH, Peter Husslein. Auch das Wiener Hebammengremium unterstützt die frühzeitige Entlassung. "Das Krankenhaus ist nicht der richtige Ort für gesunde Frauen und ihre Kinder, sie sind daheim viel besser aufgehoben", erklärt Mayer.

Sind Frauen früher meist am vierten Tag nach der Geburt nach Hause gegangen, verlassen sie mittlerweile schon nach drei oder zwei Tagen das Spital. Im SMZ Nord sei sogar geplant, 20 Prozent aller Geburten ambulant durchzuführen, erzählt Husslein. Derzeit würden nur ein bis drei Prozent aller Frauen auf diese Weise entbinden, sie gehen nur wenige Stunden nach der Geburt wieder nach Hause.

Anspruch auf Betreuung

Spitäler, Ärzte und Hebammen unterstützen also die möglichst frühe Entlassung. Gerade dann brauche es aber, so Mayer, die Betreuung durch Hebammen zu Hause. Um Anspruch auf die Hebammenbetreuung als Kassenleistung zu haben, muss eine Frau vor dem vierten Tag nach der Spontangeburt – also einer Geburt auf natürlichem Weg – das Krankenhaus verlassen. Vom Tag nach der Entlassung bis zum fünften Tag nach der Geburt hat sie Anspruch auf täglich einen Hausbesuch.

"Frauen, die schon vor ihrer Geburt planen, das Spital früh zu verlassen, kümmern sich meist schon im Vorfeld um eine Hebammenbetreuung im Wochenbett. Entscheidet eine Frau sich aber kurzfristig, früher nach Hause zu gehen, weil es ihr und dem Baby gut geht, findet sie oft keine Hebamme mehr", erklärt Mayer die Situation. Sie sieht nicht ein, dass Frauen in Wien in diesem Punkt viel schlechter versorgt sind als Frauen in anderen Bundesländern: "Als Sozialversicherungsnehmerinnen haben sie Anspruch auf eine Hebamme."

Wie wichtig das Wochenbett, also die ersten acht Wochen nach der Geburt, für eine Frau, ihre Familie und die Entwicklung des Kindes ist, erklärt Johanna Sengschmid, Hebamme und stellvertretende Leiterin des Wiener Hebammengremiums: "Die Hebamme übernimmt das Neugeborenenscreening, kontrolliert das Gewicht des Säuglings und ob der Nabel gut abheilt. Bei der Jungmutter beobachtet sie die Wundheilung, gemeinsam werden die Weichen für einen erfolgreichen Stillverlauf gestellt, wichtige Fragen beantwortet, Depressionen frühzeitig erkannt." All das sei Gesundheitsförderung, die sich auch im späteren Leben eines Kindes positiv auf seine gesundheitliche Entwicklung auswirkt. (Bernadette Redl, 21.9.2016)