Bei einem Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi, der Zivilisten in von Aufständischen gehaltenen Stadtteilen von Aleppo versorgen sollte, sind am Montag zumindest 21 Menschen ums Leben gekommen, 18 der 30 Lastwagen wurden zerstört. Westliche Regierungen gehen davon aus, dass die Luftwaffe Syriens oder Russlands für den Angriff verantwortlich ist, diese bestreiten jede Beteiligung.

Was bisher über den Hilfskonvoi bekannt ist

Am Sonntag warnten laut "Wall Street Journal" Anhänger der syrischen Opposition die Uno vor Hilfslieferungen in von Rebellen gehaltene Teile Aleppos, weil es unter anderem im Vorort Orem Al-Kubra vonseiten der Armee zu Verstößen gegen die Waffenruhe gekommen sei. "Die Luftangriffe sind kein Grund, den Konvoi zu stoppen", zitiert das Blatt einen UN-Sprecher.

Am Montag genehmigen der Gouverneur und das Sicherheitskomitee von Aleppo die Durchfahrt des Konvois. Die syrischen Behörden haben detaillierte Angaben über die beteiligten Organisationen, die Ladung und die geplante Route erhalten. Knapp vor 11 Uhr (alle Zeitangaben in MESZ) wartet laut dem UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) der Konvoi an der türkisch-syrischen Grenze.

Kurz vor Mittag fährt der Konvoi endlich los, die Helfer melden den Syrern ihre GPS-Koordinaten und die Anzahl der Mitreisenden. Die Ladung besteht laut Uno hauptsächlich aus Weizenmehl und medizinischen Hilfsgütern. Die Fahrzeuge passieren die Kampflinie zwischen Rebellen und Regierungstruppen.

Kurz darauf parkt der Konvoi bei einem Lagerhaus des Roten Halbmonds, Arbeiter beginnen, die Lastwagen zu entladen. Eine russische Aufklärungsdrohne filmt die reversierenden Lkws.

Später wird das russische Verteidigungsministerium ein Drohnenvideo veröffentlichen, das einen Pick-up mit einem Mörsergeschütz zeigt, der an den geparkten Lastwagen vorbeifährt – laut Russland ein Beweis, dass der Konvoi von Aufständischen als Deckung missbraucht wurde.

Drohnenaufnahme bei Tageslicht. Die Sonne geht in Aleppo um 18.30 Uhr (19.30 Uhr MESZ) unter.
Минобороны России
"Sputnik News" ist das Video nicht spektakulär genug, weshalb man auf Twitter lieber ein Standbild mit Zoom-Effekten verwendet.

Um 17 Uhr erklärt das syrische Militär den Waffenstillstand für beendet, um 18.30 Uhr gibt es erste Berichte über Artilleriefeuer und kurz darauf Luftangriffe auf die Stadt.

Gegen 19 Uhr wird erstmals Orem Al-Kubra als Ziel genannt, um 19.30 Uhr treffen erste Meldungen über einen Angriff auf einen Hilfskonvoi ein. In diesen ist von Hubschrauber- und Raketenangriffen die Rede.

US-Überwachungsflugzeuge, die den Luftraum über Syrien beobachten, registrieren zwei Su-24-Bomber über dem Zielgebiet. Sowohl die syrische als auch die russische Luftwaffe setzen dieses Flugzeug ein.

Bild nicht mehr verfügbar.

Archivbild: Eine Su-24 wird für einen Einsatz gegen Eisschollen auf dem Fluss Lena vorbereitet.
Foto: APA/EPA/STRINGER

Ein von Aufständischen veröffentlichtes Video zeigt angeblich die Auswirkungen des Luftangriffs, deutlich sind Flugzeugtriebwerke zu hören.

Um 21.45 Uhr bestätigt ein Uno-Sprecher, dass der Konvoi getroffen wurde. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von "syrischen oder russischen Kampfflugzeugen", die den Angriff durchgeführt hätten. Gegen 3 Uhr gelingt es, das Feuer zu löschen.

Am Morgen erreicht AFP-Fotograf Omar Haj Kadour den Ort des Angriffs und macht mehrere Aufnahmen. Ein Bild aus dem Lagerhaus zeigt die Überreste einer Bombe (im Krater in der Bildmitte), die der "Ofab" ähnelt, die von russischen Kampfflugzeugen abgeworfen wird, ...

Foto: APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
Russische Soldaten beladen auf dem Luftwaffenstützpunkt Hmeim einen Su-34-Jagdbomber.
Foto: APA/AFP/VASILY MAXIMOV

... ein anderes ein Loch im Dach an derselben Stelle:

Foto: APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR

Trotzdem erklärt das russische Verteidigungsministerium, es gebe keine Belege dafür, dass der Konvoi aus der Luft angegriffen wurde. "Es gibt keine Krater, und das Äußere der Fahrzeuge weist nicht die Schäden auf, die zu aus der Luft abgeworfenen Bomben passen würden", erklärt Sprecher Igor Konaschenkow. Vielmehr habe die Ladung des Konvois Feuer gefangen.

Einschlaglöcher in dem Auto, in dem Omar Barakat, der örtliche Leiter des Roten Halbmonds, starb.

In der Nacht auf Dienstag erklärt dann ein UN-Sprecher, man gehe nicht mehr unbedingt von einem Luftangriff auf den Hilfskonvoi aus. "Wir sind nicht in der Lage festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Luftangriff gehandelt hat." Er spricht allgemein von einem Angriff. Die frühere Formulierung in UN-Erklärungen gehe vermutlich auf einen Fehler bei der Erstellung des Entwurfs zurück.

Die USA halten an ihrer Darstellung fest. "Wir wissen nicht genau, was passiert ist, wir arbeiten noch daran", sagt Regierungsvertreter Brett McGurk. "Aber wir glauben, dass es ein Luftangriff war."

Am Dienstagabend wurden einem Luftangriff in Syrien mehrere Mitarbeiter einer Hilfsorganisation getötet und ein Krankenhaus zerstört . Zwei ihrer Sanitäter und zwei Ambulanzfahrer seien ums Leben gekommen, als sie in Khan Touman südwestlich von Aleppo unterwegs waren, teilte die in Frankreich ansässige Hilfsorganisation UOSSM am Mittwoch mit. (bed, 21.9.2016)