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Colin Kaepernick (rechts) und Eric Reid beim Spiel der San Francisco 49ers gegen die Carolina Panthers als die Nationalhymne der USA erklang.

Foto: AP Photo/Marcio Jose Sanchez

San Francisco – Colin Kaepernick bleibt auch in der neuen NFL-Season ein Garant für Schlagzeilen. Wenn vor den Spielen die US-Hymne erklingt und alle Spieler und Trainer andächtig stehen, geht der Quarterback der San Francisco 49ers in die Knie. Der Sohn einer Weißen und eines Afroamerikaners protestiert so gegen Rassismus und Polizeigewalt, die sich gegen Farbige richtet. Mit seinem stillen Protest trat er eine Debatte los: Die Hymne gilt in den USA als Heiligtum.

Mit dem Tod bedroht

Als Reaktion soll Kaepernick sogar Todesdrohungen erhalten haben. "Wenn etwas passiert, wäre es ein Beweis für das, wofür ich stehe", sagte der 27-Jährige dem Guardian zufolge. Als er mit seinem Protest begonnen hat, hat er mit Kritik und Anfeindungen gerechnet. "Ich war mir im Klaren, dass so etwas passieren könnte". Sollten die Morddrohungen wahr gemacht werden, "wäre das ein Beweis für meine Sache. Es wäre für jeden offensichtlich, warum es passiert ist. Das würde die Bewegung noch einmal schneller vorantreiben."

Die US-Amerikaner lieben ihre Hymne. Sie wird nicht nur vor jedem Match in der NFL zelebriert, sondern auch an Schulen vor jedem Spiel einer Auswahl. Passierende Jogger bleiben stehen und wenden sich der Flagge zu, ebenso Sportler, die auf Nebenplätzen trainieren. Die Hand aufs Herz legen müssen sie nicht. Stehen ist aber Pflicht. Patriotismus zählt in den USA zu den höchsten Gütern. Ebenso die Meinungsfreiheit als Menschenrecht, wie Präsident Barack Obama jüngst betonte. "Es gibt in diesem Land viel Rassismus, der als Patriotismus verkleidet ist", klagte Kaepernick.

Der 27-Jährige wuchs in Kalifornien auf. Der Vater verschwand noch vor seiner Geburt, die Mutter konnte nicht für ihn sorgen und gab ihn weg. Kaepernicks Adoptiveltern schickten ihn an die Universität von Nevada, wo er erfolgreichen College Football spielte. 2011 folgte der Aufstieg in die NFL. Bei den 49ers rückte Kaepernick früh zum Starting Quarterback auf, erreichte 2012 die Playoffs und führte sein Team ins Finale. Den Super Bowl XLVII gewannen aber die Baltimore Ravens. Auch das Folgejahr lief gut, 2014 schon nicht mehr so. Im Vorjahr wurde Kaepernick als Starting Quarterback ausrangiert. Er kämpft seither um den Anschluss.

Wichtiger als Football

Mit seiner Protestaktion setzt der 27-Jährige seine sportliche Zukunft aufs Spiel, ebenso Verträge mit Sponsoren. Der Protest, so Kaepernick, sei für ihn aber größer als der Football. "Es wäre selbstsüchtig von mir, würde ich wegsehen." Von seinen Gegnern heißt es, seine Aktion sei inakzeptabel, Kaepernick sollte sich schämen. Anderen wiederum ist die Geste zu banal und desavouiere den richtigen Protest vieler Afroamerikaner vor Ort. "So richtig das Anliegen im Kern ist: Die meisten werden ihn als das Gejammer weinerlicher Millionärskinder sehen", argumentierte etwa die Washington Post. Bürgerrechtler fragen dagegen, warum der Protest weniger wert sei, wenn Kaepernick viel verdiene.

Die amerikanische Rechtsprofessorin Katheryn Russell sagte dem Sender ESPN, dass man sich um die angesprochenen Missstände im Land kümmern sollte, bevor man Kaepernick kritisiere: "Wer sich nur mit der Form des Protests befasst, der sagt eigentlich: Nein, die angesprochenen Probleme existieren in diesem Land nicht."

"Ein Beispiel, worum es geht"

Vergangenen Freitag erschossen Beamten den 40-jährigen Afroamerikaner Terence Cruther in Tulsa in Oklahoma. Er war unbewaffnet. "Sie haben auf einen Mann geschossen und ihn getötet und sind anschließend um ihn herumgegangen, als würde es sich um kein Lebewesen handeln", kommentierte Kaepernick am Dienstag Videobilder, die von der Polizei veröffentlicht wurden. Die Justiz stehe nun in der Pflicht, solche Fälle von Polizeigewalt zu bestrafen. "Es wird sehr viel aussagen, was nun mit der Polizistin geschieht, die den Mann erschossen hat. Das ist das perfekte Beispiel dafür, um was es geht."

Kaepernick dürfte wissen, wie medienwirksam sein Bruch mit der Norm ist. In der NFL sind rund zwei Drittel der Spieler schwarz. Es reichte, dass einer die geforderte Verhaltensnorm bei der Hymne ignorierte, um eine sehr grundsätzliche Debatte loszutreten und die Aufmerksamkeit zu lenken. Um Schlagzeilen zu machen. (siu, APA, 21.9.2016)