Nach der Veröffentlichung der Videos des Vereins L214 kam es zu Protesten gegen die Praktiken auf französischen Schlachthöfen.

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Die Bilder sind schlicht unerträglich. Lebende Pferde werden mit Seilwinden an einem Bein in die Schlachtbox gehievt. Ein Schwein wird unbetäubt erstochen. Ein Schaf erhält einen Messerstich ins Auge, ein anderes rennt mit offener Kehle davon.

Wer diese Szenen gefilmt hat, ist unbekannt. Veröffentlicht wurden sie von der Organisation L214. Der Name bezieht sich auf einen Artikel im französischen Agrargesetz, der die Nutztiere als "sensible Wesen" bezeichnet und ihnen das Recht auf eine artengerechte Behandlung einräumt. Offensichtlich wird dieses Gesetz nicht in allen französischen Schlachthöfen befolgt. L214 macht das nun mit Schockvideos bekannt.

Der Verein bricht damit das "Gesetz des Schweigens", das in diesen Tiertötungsfabriken auch laut Branchenvertretern herrscht. Er beschreibt zum Teil "mittelalterliche" Bedingungen und "grausame" Praktiken. Die ersten, im Frühling publizierten Videos stammten teilweise sogar aus einem Schlachthof in Le Vigan in den südfranzösischen Cevennen, der über ein Biolabel verfügte.

Inspektion angeordnet

Das Landwirtschaftsministerium in Paris ordnete daraufhin eine Inspektion sämtlicher 259 Schlachthöfe an: Drei wurden geschlossen, 31 Prozent erhielten eine Aufforderung zur Mängelbehebung. Die übrigen erhielten Prädikate von "akzeptabel" bis "befriedigend". Daraufhin veröffentlichte L214 auf seiner Homepage neue Videos von Schlachtorten wie Pézenas, bei denen zuvor "keine Funktionsstörungen" festgestellt worden waren. Die Bilder lebender Tiere, die behandelt wurden, als wären sie bereits Hacksteaks, waren so erschütternd wie vorher.

Die Nationalversammlung reagierte mit der Einrichtung einer Parlamentskommission, die Besserungsvorschläge unterbreiten sollte. Am Dienstag hat sie 65 vorgelegt. Dazu gehört die obligatorische Einrichtung von Videokameras an den neuralgischen Orten des Schlachthofs.

Laut dem Berichtsverfasser Jean-Yves Caullet sollen die Bilder digital verschlüsselt bleiben und nur für die Behörden einsehbar sein. Das soll verhindern, dass sie in falsche Hände – wie eben L214 – geraten.

Überwachung durch Tierärzte

Ferner sollen Veterinäre stärker präsent sein; in Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten sollen sie die Betäubungs- und Schlachtorte permanent überwachen. Kleinbetriebe sollen wie in Schweden durch Schlachtfahrzeuge ersetzt werden, die auch in Bauernhöfen operieren können. Generell soll die Gesetzgebung verschärft werden, um das in einigen Schlachthöfen herrschende "Gefühl der Straflosigkeit" zu bekämpfen, wie es in dem 255-seitigen Parlamentsbericht heißt.

Wie weit das Parlament den Vorschlägen folgt, muss sich weisen. Agrarminister Stéphane Le Foll erklärte skeptisch, viele Schlachthöfe würden pleitegehen, wenn sie teure Videosysteme einrichten müssten. Von neuem kommt die islamische Praxis des unbetäubten Schlachtens aufs Tapet. L214 verweist ausdrücklich darauf, dass es in einzelnen Ländern wie Indonesien durchaus zulässig sei, Schafe zuerst zu betäuben.

In Frankreich haben die Schockvideos eine Debatte ausgelöst. Während Gourmet- und Agrarkreise das Konzept des "glücklichen Fleisches" propagieren, wenden sich die Aktivisten aus dem Umfeld von L214, die aus dem Kampf gegen das Gänsestopfen hervorgegangen sind, allgemein gegen "die Religion des Fleisches". Auch verlangen sie alternative Veganmenüs in den französischen Schulkantinen. (Stefan Brändle aus Paris, 22.9.2016)