Es war ein verblasstes Foto, das Zenith Irfan zu einem Symbol für Frauenrechte in Pakistan machte. Vor drei Jahren stöberte die heute 21-Jährige mit ihrer Mutter durch alte Familienalben, als ihr ein Bild ihres verstorbenen Vaters in die Hände fiel. Auf dem Foto trägt er eine Armeeuniform und seine erstgeborene Tochter Zenith auf dem Arm. Die junge Frau hat keine Erinnerung an ihren Vater: Er starb, als sie zehn Monate alt war – und doch hält sie sein Andenken wach. Ihre Mutter erzählte ihr von seinem großen Traum: mit dem Motorrad von Pakistan aus die Welt zu bereisen. Für einen Mann keine große Sache – doch für eine Frau in der patriarchalen Gesellschaft Südasiens ist Motorradfahren ein Tabu.

"Eine Frau auf einem Motorrad zu sehen ist, wie ein Ufo am Himmel zu entdecken", erzählt Irfan. Wenn sie auf einem ihrer Trips durch den besonders konservativen Norden Pakistans fährt, dann würden die Menschen sie auf den ersten Blick für einen Mann halten. Angesichts der schweren Lederkluft und des Helms liegt eine Verwechslung nahe. Wenn die 21-Jährige aber ihren Helm abnimmt, um nach dem Weg zu fragen, würden viele nicht wissen wie sie reagieren sollen, so die junge Frau. Schlussendlich sei es aber noch nie ein großes Problem gewesen, überall sei sie gastfreundlich empfangen worden.

Zenith Irfan bringt Frauenrechte in den Norden Pakistans.
Foto: privat

Mithilfe des kleinen Bruders

Dass sie überhaupt gelernt hat, ein Motorrad zu lenken, verdankt sie ihrem jüngeren Bruder Sultan. Als er im Jahr 2013 mit einer einfachen Maschine mit einem 70cc-Motor nach Hause kam, drängte ihn die Mutter, dass er seiner Schwester das Fahren lehrt. Zwei Jahre später war sie eine Expertin. Ihre Reisen führten sie aus ihrer Heimatstadt Lahore in die Hauptstadt Islamabad und durch die gebirgige Landschaft nach Murree, nahe dem westlichen Himalaya. Noch weiter nördlich erfüllte sich Irfan schließlich einen Traum – den Karakorum Highway zu befahren, Pakistans höchstgelegene Straße für motorisierten Verkehr. "Es ist wunderschön und faszinierend", so Irfan.

Mit ihrem Abenteuer, über mehrere tausend Kilometer für die weibliche Gleichberechtigung unterwegs zu sein, führt sie die Tradition der starken Frauen in ihrer Familie fort. Denn bereits ihre Großmutter wagte mit knapp 22 Jahren ein Abenteuer. Gerade einmal Ärztin geworden, las sie in einer Zeitungsanzeige vom Ärztemangel in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Per Schiff machte sie sich von Indien aus auf und wurde angesehene Gynäkologin in einer männerdominierten Gesellschaft.

Zenith und Sultan bei einem ihrer Trips.
Foto: privat

Weibliche Biker in Lahore

Irfan weiß allerdings von ihrem Privileg, dass ihre Familie bei ihren Reisen hinter ihr steht. "Wenn ich die jungen Mädchen in den Bergen treffe, dann frage ich mich, wieso Gott mich als die einzige Frau ausgewählt hat, die Landschaft im Norden Pakistan mit dem Motorrad zu erobern", schreibt Irfan auf ihrer Facebook-Seite. Mit ihrem Online-Auftritt unter dem Titel "1 Girl 2 Wheels" erreicht sie fast 22.500 Menschen – und sie will ihn vor allem dafür nutzen, die Geschichten dieser Bergmädchen zu erzählen und für ihre Rechte einzutreten.

Dabei ist Irfan nicht mehr allein. Ende Juli nahmen 150 Frauen die Straßen Lahores auf ihren Mopeds in Beschlag, um gegen das Tabu anzukämpfen. Unterstützt wurden sie dabei auch von der österreichischen Botschafterin in Pakistan, Brigitta Blaha. Das Büro des Ministers der Region Punjab und die Verkehrspolizei hatten zuvor gemeinsam die Frauen in Fahrschulen trainiert. Schlussendlich subventionierten sie 1000 Mopeds, die arbeiteten Frauen und weiblichen Studenten zugutekommen sollen. "Die Dinge verändern sich gerade in Pakistan", ist sich Irfan sicher. (Bianca Blei, 27.9.2016)