Can Dündar ist ein Optimist. Das erstaunt umso mehr nach der Lektüre dieses Buches. Denn er hat es in der Haft geschrieben – mit der Hand, wie er bei einem Gespräch erzählt. In Lebenslang für die Wahrheit beschreibt der 55-jährige türkische Journalist, was ihm in den vergangenen Monaten widerfahren ist. Wie die ersten Informationen über illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien im Mai 2015 an die Redaktion der Zeitung Cumhuriyet herangetragen wurden, deren Chefredakteur er bis vor kurzem war. Die Anwälte haben vor der Veröffentlichung gewarnt. Man werde die Sache als "Aufdeckung von Staatsgeheimnissen" behandeln und die Mitarbeiter der Zeitung strafrechtlich verfolgen – genau das geschah dann. Im November 2015 wurde Dündar verhaftet, Staatspräsident Erdogan persönlich hat Strafanzeige gestellt.
Dündar schildert in dem Buch eindringlich seine drei Monate in der Einzelzelle: wie er die Schritte bis zum Besucherraum zählt, wie er Ratschläge von einem erfahrenen Häftling erhält: "Das Essen ist sehr fett. Spül, was dir vorgesetzt wird, mit Wasser ab." Er hält durch, auch dank Briefen seines Sohnes, der ihm schreibt: "Ich bin stolz darauf, Dein Sohn zu sein, es ist mir eine Ehre, Dein Freund zu sein, mein lieber Papa." An diesem Tag weinte Dündar zum ersten Mal hemmungslos: vor Sehnsucht, vor Stolz, vor Traurigkeit, vor Freude.
Dündar wird zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, er legt Berufung ein. Vor dem Gerichtsgebäude wird auf ihn geschossen, er überlebt, weil seine Frau den Attentäter zur Seite reißt. Dündar lebt derzeit in Deutschland, seine Frau darf wegen eines konfiszierten Passes nicht ausreisen. Er zahlt einen hohen Preis dafür, dass er einfach nur seine Arbeit als Journalist getan hat. Sein Buch ist ein Zeugnis für Mut und dafür, was es wirklich heißt, für Pressefreiheit einzutreten. (Alexandra Föderl-Schmid, 22.9.2016)