Wien – Fast zwei Drittel der veröffentlichten Forschungsergebnisse sind nicht so einfach reproduzierbar, fand der US-Sozialpsychologe Brian Nosek 2015 mit Kollegen heraus. Er wurde dafür zu einem der einflussreichsten Wissenschafter gekürt – und heftig kritisiert. "Die wissenschaftliche Literatur ist nicht so vertrauenswürdig, wie wir angenommen haben", sagte er am Mittwochabend vor Journalisten in Wien.

Der Leiter des "Center for Open Science" an der Universität Virginia (USA) kann seine eigene Arbeit davon gar nicht ausnehmen. Nosek und Kollegen haben hundert Studien aus drei hochrangigen Psychologie-Fachmagazinen herausgepickt und einzelne Teams versuchten, sie so authentisch wie möglich nachzumachen. Die Forscher wollten nachsehen, ob sie zu den gleichen Ergebnissen kommen. Das taten sie sogar in Rücksprache mit den Original-Autoren, nutzten die gleichen Materialien und holten so oft wie möglich deren Feedback ein, ob sie alles genau so wie sie machten.

Kritik am Kritiker

Darunter war eben auch eine Studie von seiner eigenen Forschungsgruppe, die sich ein unabhängiges Team vorgenommen hat, erzählte Nosek, der am Mittwochabend auf Einladung des Wissenschaftsfonds FWF und des Institute of Science an Technology (IST) Austria einen Vortrag in Wien hielt. Die Nachahmer kamen auf ein anderes Ergebnis als er, so wie bei 60 der 100 wiederholten Studien. In all diesen Fällen sei es schwer zu sagen, wo der Fehler liegt. Einerseits würden viele Forscher nun den Standpunkt einnehmen, dass man der wissenschaftlichen Literatur nicht mehr trauen kann. Von nicht wenigen wären er und seine Kollegen wiederum kritisiert worden, dass sie wohl nicht fachmännisch genug seien, ihre Arbeit zu reproduzieren.

"Ich war aber nicht böse auf das Team, das im Gegensatz zu mir einen Effekt gesehen hat", sagte er schmunzelnd, sondern er sei angespornt worden, der Sache auf den Grund zu gehen. Es kann nämlich sein, dass sowohl die Originalarbeit wie die Nachahmung korrekt sind, auch wenn die Ergebnisse abweichen. Dann müsse sich ein Detail unterscheiden, das nicht als wichtig genug erkannt und dargestellt wurde, und somit unberücksichtigt blieb.

Um wissenschaftliche Studien reproduzierbarer zu machen, plädierte Nosek für mehr Transparenz bei den Methoden. Zum Beispiel bei Krebsstudien, die einschlägige Forscherteams nun nachahmen, würden oft nur Minimalversionen der Methoden veröffentlichen. "Es gibt für die Forscher keinen Anreiz, so akkurat wie möglich zu publizieren", sagte der Psychologe. Die Wissenschaftsmagazine legten vielmehr Wert auf runde, glatte Geschichten ohne Widersprüche und abweichende Details. "Dadurch kommt es zu einem geschönten Bild der wissenschaftlichen Arbeiten in der Literatur."

Kleine Umstellungen, große Wirkung

Er hielte er es für sinnvoll, die Forschungsfragen, die Methoden und wie man seine Daten interpretiert, vorab genau zu definieren. Sonst komme man allzu gerne in Versuchung, mit seinen Daten zu "interagieren" und unbewusst genau zu jenem Ergebnis zu kommen, das am spannendsten erscheint.

Nosek: "Ich glaube, dass man mit kleinen Umstellungen viel erreichen kann." Denn eigentlich hätten alle ein Interesse, dass die Studien reproduzierbar sind. Forscher wollen ja keine "heiße Luft" publizieren und Forschungsförderer das Geld nicht in Studien ohne Erkenntnisgewinn stecken, zeigte sich der Forscher überzeugt. (APA, 23.9.2016)