Seit 1996 steht Arsène Wenger an der Seitenlinie des FC Arsenal, am Sonntag wartet sein 1073. Spiel als Trainer der Gunners

London – Als der schmächtige, große Franzose mit dem Namen Arsène Wenger den Raum im "Clock End", in der Südtribüne des Highbury-Stadions, betrat, hatte niemand in London auch nur eine Ahnung davon, dass eine Ära begonnen hatte. "Arsene wer?", titelte das U-Bahn-Blättchen "Evening Standard" und sprach den Fans des damals strauchelnden Fußball-Traditionsklubs FC Arsenal aus der Seele.

Wenger, der vor 20 Jahren als neuer Teammanager der Gunners vorgestellt wurde, war damals nur zweite Wahl. Eigentlich sollte der später zum Ritter geschlagene Bobby Robson nach Highbury geholt werden, die Trainerlegende entschied sich aber gegen die Londoner. Es war für alle Beteiligten ein Glücksfall.

"Er ist ruhig und diplomatisch, er spricht souverän und klar, er scheint ein Mann mit großen analytischen Fähigkeiten zu sein", schrieb Arsenal-Experte Myles Palmer in seinem Buch "Der Professor" über jenen 22. September 1996, als Wenger im blauen Blazer und mit roter Krawatte vor die Presse trat. Am Samstag sitzt der 66-Jährige gegen den FC Chelsea zum 1073. Mal auf der Bank des FC Arsenal.

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In den 1072 Spielen zuvor erlebte Wenger so ziemlich alles, was das Geschäft des Profifußballs zu bieten hat. Er stellte nach seinem Amtsantritt (offiziell der 1. Oktober 1996) in Highbury alles auf den Kopf, führte Diäten ein, die er während seiner Zeit in Japan bei Nagoya Grampus kennengelernt hatte, ließ sein Team akribisch arbeiten – und hatte damit sofort Erfolg.

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Bereits 1998 holte Arsenal das Double – der Coach und sein Team feierten die Titel damals am 17. Mai vor ihren Anhängern in London. In den ersten zehn Jahren mit Wenger als Trainer wurde vieles, was der Unbekannte vom Festland anpackte, zu Gold. Insgesamt triumphierten die Gunners unter Wenger drei Mal in der Premier League: nach 1998 in den Jahren 2002 und 2004.

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In seiner ersten Schaffens-Dekade bei Arsenal formte er Franzose das legendäre Team der "Invincibles", der Unbesiegbaren um die Superstars Thierry Henry, Robert Pires, Dennis Bergkamp und Fredrik Ljungberg, das 2004 ohne Niederlage Meister wurde. Insgesamt standen am Ende 49 Partien ohne Pleite in der Statistik. "Das ist wirklich unglaublich", sagte Wenger damals.

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"Na klar, ich will die Champions League gewinnen, aber das hier ist wichtiger. Es ist etwas Besonderes. Wie haben wir das geschafft?", fragte er nach dem Titelgewinn 2004. Die Königsklasse wurde für Wenger allerdings zum Trauma. 2006 verlor Arsenal das Champions-League-Finale in Paris gegen den FC Barcelona mit 1:2 (im Bild mit Henry und Kolo Toure). Tormann Jens Lehmann war schon nach 18 Minuten mit Rot vom Platz geflogen.

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Wenger blieb die Krönung versagt. Niemals den Henkelpott gewonnen zu haben, ist bislang der große Makel des heute 66-Jährigen. Seine Karriere hat in den vergangenen Jahren an Fahrt verloren. Zuletzt gab es nur noch zwei Triumphe im FA-Cup in den Jahren 2014 und 2015. Die ganz großen Erfolge blieben nach dem letzten Titelgewinn aus.

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Wie lange Wenger noch Trainer von Olivier Giroud (rechts) und Aaron Ramsey (im Bild das Auswärtsspiel gegen Olympiakos Athen in der Champions-League-Gruppenphase im Dezember 2015) bleibt, ist offen. Wengers Vertrag läuft Ende der Saison aus. Nicht wenige Fans der Gunners wünschen sich frischen Wind, manche brachten in der abgelaufenen Saison sogar Plakate mit den Worten "Zeit für Veränderung" oder "Danke für die Erinnerung, aber es ist Zeit Abschied zu nehmen" mit ins Stadion. Er würde große Fußstapfen hinterlassen. (sid, red, 23.9.2016)

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