Im Disput: die Staatsanwälte Hansjörg Bacher (links), Rudolf Fauler und Verteidigerin Liane Hirschbrich.

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Graz – Schöner kann der Spätsommer nicht sein. Kaum eine Wolke verdirbt die Sicht auf den blitzblauen Himmel. Und während sich draußen dieser Sommertag breitmacht, schnürt es einem hier im dunklen Grazer Gerichtssaal die Kehle zu.

Zeugen schildern jene kurzen Momente an jenem ebenso sonnigen Junitag 2015, als die Welt stehenblieb – als Alen R. mit dem Geländewagen mitten in die Menschenmenge der Fußgängerzone raste.

Sie beschreiben unter Weinkrämpfen, wie sie nahe Verwandte oder die eigenen Kinder blutend auf dem Boden liegen sahen. Wie sie selbst schwerstverletzt im Krankenhaus aufgewacht sind.

Jener junge Mann, der mit seinem Sohn an der einen Hand und dem kleinen Valentin an seiner Seite durch die Herrengasse schlenderte, versucht verzweifelt Worte für das Grauen zu finden. "Bitte schämen Sie sich nicht für Ihren Gefühlsausbruch", sagt Richter Andreas Rom. "Es war sehr schlimm", beginnt der junge Mann in Jeans und Baseballkappe, "es kommt wieder alles hoch. Als ich mich kurz umgedreht hab, hab ich die Motorhaube und den Kühlergrill vor mir gesehen. Ich hab meinen Sohn gepackt, Valentin, der Sohn meines besten Freundes, muss rechts hinter mir gewesen sein. Oh Gott, Valentin. Er hat gespielt, er ist gehüpft. Dann hat er noch Gas gegeben, er hat den Kleinen voll genommen. So ein unschuldiges Kind auf diese Weise. Da gibt es keine Entschuldigung ... es war schrecklich ... ich denke jeden Tag daran." Nur eine Bitte habe er noch, "wenn ich das sagen darf", wendet sich der junge Mann an die Geschworenen: "Bitte überlegt es euch gut, bitte macht es so, dass unsere Kinder und anderen Menschen geschützt werden vor solchen Menschen."

Alen R. wollte er nicht sehen, dieser musste raus aus dem Gerichtssaal. "Ich will mit seinem Gesicht nicht leben."

Sein brüderlicher Freund, der Vater des fünfjährigen Valentin, war nicht in der Lage, vor Gericht als Zeuge auszusagen. Vor kurzem hätte Valentin Geburtstag gefeiert.

Später wird Alen R. wieder in den Saal geführt. "Sie haben ihn anvisiert", sagt Richter Rom. "Ich hatte panische Angst um mein Leben, ich war nicht fähig, zu entscheiden, wo ich hinfahre, hab Brems- und Gaspedal verwechselt." (Walter Müller, 23.9.2016)