Kann sich seines Lorbeerkranzes nicht ganz sicher sein: der Dichter Torquato Tasso (Philipp Hauß) im Dienste seines Mäzens.

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Wien – Das Ideal vom freien, unabhängigen Künstler sieht in der Praxis oft anders aus. Schon Goethe wusste davon ein Lied zu singen. Der Geheimrat schildert in Torquato Tasso (1790) nicht ohne autobiografischen Bezug das Dilemma des unverstandenen Dichters, den inneren Widerspruch eines im Sold stehenden freien Geistes und nicht zuletzt das Leid der gekränkten Schöpferseele.

Am Hof von Ferrara gerät der vom Burgtheater schön neumodern als Artist in Residence bezeichnete Schreiberling Tasso (Philipp Hauß) mit den Anforderungen seiner Gönner in Konflikt. Insbesondere geizt der frisch aus Rom heimkehrende Spitzendiplomat Antonio (Ole Lagerpusch) nicht mit geringschätzenden Äußerungen. "Zierde" soll die Kunst bitte schön sein. Er höhnt: "Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst beschäft'gen, wenn es nur so nützlich wäre."

Der Lorbeer, mit dem Tasso für ein soeben zögerlich ausgehändigtes Manuskript bekränzt wurde, sei unverdient. Er (Antonio) könne den nämlichen Kranz dann ja auch für seine politischen Erfolge einfordern.

In der Inszenierung von Martin Laberenz gleicht der Hof des Herzogs (Ignaz Kirchner) einem modernen Skulpturenpark (zwischen Brigitte Kowanz und Jeff Koons). Er dreht sich im Burgtheater erhaben im Kreis (Bühne: Volker Hintermeier). Die hier zum Lustwandeln angebrachten Exponate signalisieren: Die Wohltat Kunst lässt man sich was kosten.

Regisseur Laberenz setzt einiges daran, um das Stück aus seiner historischen Umklammerung zu lösen, ohne es dabei aber zu verraten. Mit wenigen Drehungen holt er die Frauenfiguren aus der emanzipatorischen Versenkung, macht dem schweren Versmaß Luft, was aber nicht durchgehend gelingt (die Akustik leistet nicht immer gute Dienste). Somit verhallt einiges im blinden Sprechstakkato. Es geht also leider nicht ganz ohne Bleiwüstengefühl ab.

Wie Zwillinge gekleidet

Doch enthalten Laberenz' ernster Gestus sowie sein Bekenntnis zur Künstlichkeit auch Witz. Ohne sich gleich dem Spaßtheater zu überantworten. Man hätte zur Liaison von Macht und Kunst gewiss kulinarischer drauflosassoziieren können.

Dennoch hat der Abend – auch dank seiner Schauspieler (allen voran: Hauß und Hartinger) – Sogkraft. Tasso und Antonio verkörpern – wie Zwillinge gekleidet – entgegengesetzte Prinzipien und tappen damit in die von ihnen selbst gestellten Fallen. Ähnlich die Frauenrollen: Die beiden Leonoren sehen ident aus, nützen die Kunst aber im jeweils ganz eigenen Sinn.

Will die Prinzessin (Wenzl) dem edlen Dichter einfach an die Wäsche (ja, das geht sich mit dem Originaltext aus), so bastelt die andere im Windschatten seiner Aura an ihrem Nachruhm. Wie pragmatisch die souverän-abgeklärte Lady (Hartinger) vorgeht, erkennt man an der Art, wie sie ihr Bad einlässt: Sie schüttet die selbst mitgebrachte Seifenlauge kübelweise in eines der abstrakten Kunstwerke!

Schön anzuschauen auch: Die Mäzenatenfamilie ist mit Geschmacklosigkeit geschlagen. Egal, Hauptsache, jemand kauft die Kunst! Ihre Outfits (Kostüme: Aino Laberenz) touchieren den Rand des Stillosen subtil, mit einem abstrakten Galeristinnenfummel etwa oder mit einem roten Seitenblicke-Dauerwellen-Bob. Bezeichnenderweise ist auch der Poet selbst stets missgestylt.

Der zweieinhalbstündige Abend hatte zum Premierentermin am Samstag alle Hände voll zu tun, das Publikum zu erreichen. Es gab nur matten Applaus. Weniger Text und weniger hastig dargebracht wäre wohl mehr gewesen. (Margarete Affenzeller, 25.9.2016)