Eine große Tafel im Vorgarten eines unscheinbaren Hauses mit Garage in Palo Alto, Kalifornien, zeigt den Geburtsort des Silicon Valley an. Dort haben William Hewlett und David Packard 1939 ihre eigene Firma gegründet.

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San Francisco / Wien – Die Ausstrahlungskraft, die das im US-Staat Kalifornien gelegene Silicon Valley hat, ist so stark, dass es Nachahmungsversuche rund um den Globus gibt. Viele sind freilich nicht mehr als ein Abklatsch des Originals. Das ist nicht verwunderlich.

Dass auf dem knapp 70 Kilometer langen, etwa 30 Kilometer breiten Landstrich zwischen San Francisco und San José bis zu 30.000 Start-ups blühen, verwelken, absterben und neu entstehen, ist einem speziellen Humus zu verdanken. Der ist in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts aufbereitet worden. Angriff, Verteidigung und die dazugehörigen Industrien spielten dabei eine maßgebliche Rolle. Oder, wie es Stanford-Professor Fritz Prinz bei einer Fact-Finding-Mission von Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) in den Hightech-Hochburgen der US-Westküste vorige Woche ausdrückte: "Ohne den Staat und die Rüstungsindustrie ist das Silicon Valley nicht denkbar."

Lockheed, Nasa und Co

Ein Beispiel unter vielen ist Lockheed Martin. Der Rüstungs- und Technologiekonzern hat sich Mitte der 1950er-Jahre neben dem riesigen Militärflughafen Moffett Field angesiedelt – im Zentrum jenes Tals, das mit dem Aufkommen der Silizium-basierten Halbleiterindustrie im allgemeinen Sprachgebrauch Silicon Valley wurde.

Es waren damals wahrlich goldene Jahre für die Rüstungs- und Raumfahrtindustrie. Mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten Sputnik hatte die damalige Sowjetunion die Amerikaner 1957 richtiggehend geschockt. Die Vereinigten Staaten sahen sich in dieser Zeit des Kalten Krieges unter Zugzwang, die Sowjets nicht davonziehen zu lassen. Entsprechend groß war denn auch die Investitionsbereitschaft.

In dieser Zeit erfolgte auch die Gründung der Raumfahrtbehörde Nasa und von Arpa (heute Darpa; Defence Advanced Research Projects Agency), das ist eine zum Pentagon gehörende Forschungseinrichtung. Beide Organisationen sollten zu wichtigen Impulsgebern für die Technologieindustrie werden. Ein von der Arpa angestoßenes Netzwerkprojekt mit Namen Arpanet etwa wurde zu einem Vorläufer des Internets.

Forschung mit allen Mitteln

Das Aufkommen privater Wagniskapitalgesellschaften in den 1970er-Jahren machte die Technologiebranche unabhängiger. Auch wenn die Regierung als Motor für die Region in den Hintergrund getreten ist, bleibt sie doch auf vielfache Weise engagiert. Das Moffett Field ist zwar schon lange kein Militärstützpunkt mehr, dafür hat die Nasa hier noch immer ihr Ames Research Center. Hier betreiben rund 2500 Spezialisten Forschung zu Astrophysik, Robotik, Bio- und Nanotechnologie und Hochleistungscomputern.

Nasa Ames ist nur eines von vielen Zentren, bei denen die US-Regierung direkt oder indirekt ihre Finger im Spiel hat. So bekommt etwa das SRI International (früher Stanford Research Institute) den Löwenanteil seines Budgets vom Pentagon.

Apples Siri militärischen Ursprungs

SRI war unter anderem Geburtsort von Apples virtueller Assistentin Siri. Die Pentagon-Forschungseinrichtung Darpa hat SRI 2003 gut 20 Millionen Dollar für die Entwicklung eines intelligenten Assistentensystems gegeben, das zunächst für militärische Anwendungen gedacht war. Aus diesem Projekt wurde dann 2007 Siri Inc. als unabhängiges Unternehmen abgespalten. Drei Jahre später wurde Siri an Apple verkauft.

Apple ist schon lange kein Start-up mehr, auch Google, Facebook, Whatsapp und all die anderen bekannten und weniger bekannten Namen des Digitalzeitalters nicht. Diese fischen aber zunehmend im Teich der jungen, vor Innovationsgeist sprühenden Garagenfirmen. Gefüttert werden diese von milliardenschweren Venture-Fonds. Allein in der Sand Hill Road, einer Verkehrsarterie in der wegen Facebook zu überregionaler Bekanntheit gelangten Kleinstadt Menlo Park, sind mehr als 40 verschiedene Wagniskapitalgesellschaften mit Büros vertreten.

Nichtstigmatisierung im Fall des Scheiterns

Das viele Geld, das die besten Köpfe der Welt anziehe, dazu ein hohes Maß an kultureller Offenheit, Nichtstigmatisierung im Fall des Scheiterns und Vernetzung mit Uni-Instituten in Stanford und Berkeley mache die einzigartige Atmosphäre im Valley aus, sagt der aus Österreich stammende Forscher Prinz. Und der große Markt vor der Haustür, der es erlaube, für neue Produkte rasch Abnehmer zu finden. Auch aus diesem Grund sei es für Europa Gift, wenn wieder die nationalen Grenzen betont würden. (Günther Strobl, 27.9.2016)