Wien – Der Verfassungsrichter Johannes Schnizer verteidigt in der aktuellen Ausgabe des "Falter" entschieden die Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl durch den Verfassungsgerichtshof im vergangenen Juni. Kritik an der Arbeit des VfGH sei zwar legitim, er glaube aber, viele würden das Urteil kritisieren, weil die FPÖ die Wahl angefochten habe. In Richtung FP sagte er, diese habe die Anfechtung schon vor der Stichwahl vorbereitet.

Die Aufhebung verteidigte der Verfassungsrichter entschieden: "Es sind nicht bloß Schlampigkeiten passiert, sondern es ist in zehntausenden von Fällen das Wahlgeheimnis verletzt worden. Deshalb sprechen wir von krassen Rechtswidrigkeiten", so Schnizer, der gegenüber dem "Falter" betonte, im Interview seine persönliche Meinung zum Ausdruck zu bringen – und nicht für den VfGH zu sprechen.

Hineinschauen möglich

Schnizer sagte, beim Öffnen der Briefwahlkuverts hätten Unbefugte die Wahlzettel entnommen – und theoretisch "hineinschauen" können. Dies bedeute, jene – unbefugten – Personen, die die Kuverts geöffnet haben, hätten theoretisch sehen können, "wie der Nachbar abgestimmt hat". Davon betroffen waren laut Schnizer zehn der 14 Wahlbezirke, insgesamt 73.084 Briefwahlstimmen.

Dass der VfGH in seinem Erkenntnis erklärt hatte, es müssten für eine Aufhebung einer Wahl Manipulationen gar nicht bewiesen, sondern nur möglich sein, verteidigte Schnizer ebenfalls: Dies sei "ständige Judikatur" des Gerichtshofs. "Diese Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof entwickelt, weil eine Manipulation fast nie nachweisbar ist."

Die von vielen geäußerte Kritik am Urteil des VfGH sieht Schnizer auch darin begründet, dass die FPÖ die Wahl angefochten und sich damit durchgesetzt habe. Vor allem die Äußerungen des Schriftstellers Karl-Markus Gauß, der dem Gerichtshof "vorauseilenden Gehorsam gegenüber der FPÖ" vorgeworfen habe, schmerze ihn. "Das stimmt keinesfalls. Wir haben – und das ist mir ganz wichtig, und man weiß, wo ich weltanschaulich stehe – ohne Ansehen der Person entschieden", sagte Schnizer, der einst Kabinettschef des SPÖ-Kanzlers Alfred Gusenbauer war.

Kritik an der FPÖ

Gleichzeitig sparte Schnizer nicht mit Kritik an der FPÖ bzw. deren Kandidat Norbert Hofer: "Offenkundig war einer der Wahlwerber entschlossen, den Sieg des anderen nicht zu akzeptieren. Er hat bereits vor der Stichwahl die Wahlanfechtung aufgrund von Mängeln bei vorangegangenen Wahlen vorbereitet, die in diesem Ausmaß nicht allgemein, aber offenkundig den Wahlbeisitzern dieses Kandidaten bekannt waren; sie haben aber in der Wahlbehörde (mit einer Ausnahme) nicht darauf hingewirkt, rechtmäßig vorzugehen. Ein anderer Kandidat hätte vielleicht gesagt, er akzeptiert auch eine Niederlage."

Gefragt, wem er bei der Wiederholung der Stichwahl seine Stimme geben wird, sagte Schnizer: "Van der Bellen, wie das letzte Mal."

Kickl weist Vorwürfe zurück

Die FPÖ hat die Aussagen von Verfassungsrichter Schnizer, die FPÖ bzw. deren Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer habe die Anfechtung der Stichwahl schon vor deren Abhaltung vorbereitet, scharf zurückgewiesen. Dass Schnizer seinen Ausführungen diese "Unwahrheit" hinzufüge, sei "befremdlich und sehr bedauerlich", erklärte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung.

"Zu behaupten, die FPÖ habe bereits vor der Stichwahl die Wahlanfechtung vorbereitet, ist eine glatte Unterstellung, die wir aufs Schärfste zurückweisen", so Kickl. "Eine derartige Behauptung entspricht zudem genau dem Charakter jener Gerüchte, die wohl auch das Team (Alexander, Anm.) Van der Bellen aus dem Wahlkampf verbannt wissen möchte", sagte der FPÖ-Generalsekretär. (APA, 27.9.2016)