Christian Konrad am Montagabend im Wiener Management Club: "Wer will, der kann."

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Wien – Was in Österreich jetzt in Sachen Flüchtlinge am Wichtigsten sei? Auf diese Frage hatte der am 30. September als Flüchtlingskoordinator der Regierung scheidende Ex-Raiffeisengeneral Christian Konrad Dienstagabend im Wiener Management Club ein klare Antwort: "Beschäftigung und Ausbildung", um Integration zu ermöglichen.

Asylwerber müssten "unter bestimmten Bedingungen zur Arbeit zugelassen werden", Schulbesuch für Jugendliche müsse "auch nach dem schulpflichtigen Alter möglich sein" – und zwar rasch. Andernfalls riskiere man Abwendung und Bildung ethnischer Ghettos. Denn, so Konrad: "Die Integration steht uns nicht bevor. Wir sind mittendrin."

"Asylrecht vereinfachen"

Um die Asylverfahren zu verkürzen, gelte es außerdem, "die Kapazitäten der Asylämter zu erhöhen" sowie "das höchst komplexe österreichische Asylrecht zu vereinfachen". Im Grunde, so Konrad, brauche es hier sogar "EU-weit einheitliche Bestimmungen".

Von der vor Beschluss stehenden Asyl-Notstandsverordnung, die, einmal aktiviert, Asylanträge nur noch in Ausnahmefällen ermöglichen wird, zeigte sich Konrad wenig begeistert. Die Bestimmung könne nach Erreichen der Obergrenze von 37.000 Anträgen noch heuer in Kraft treten, "obwohl die Anträge am 2. Jänner 2016 von null an neu gezählt werden".

"Die Balkanroute bleibt zu"

Auch glaube er nicht an die Ankunft weiterer Flüchtlingsmassen über die Balkanroute – und ebenso wenig an die Notwendigkeit, sich für eine solche Situation vorzubereiten: "Die Balkanroute bleibt zu." Vor einem Jahr hätten sich Politik und Behörden unvorbereitet auf die große Zahl ankommender Flüchtlinge erwiesen. Ohne Engagement der Zivilgesellschaft, "die mich auf Österreich stolz macht", wären die Herausforderungen damals nicht zu meistern gewesen.

Dabei, so der ebenfalls auf dem von ORF-Journalistin Ulla Kramar-Schmid moderierten Podium sitzende Ex-Raiffeisenverband-Generalsekretär und ÖVP-Nationalratsabgeordnete Ferdinand Maier, habe das Heeresnachrichtenamt (HNA) "schon im März 2011 vor dem Kommenden gewarnt. "Über das Jahr 2015 hinaus" sei "Druck auf die österreichischen Grenzen" zu erwarten, habe das HNA berichtet und die Notwendigkeit einer "gesamteuropäischen Lösung" der Flüchtlingsfrage herausgestrichen.

Haltung gegenüber Visegrád-Staaten

Von Solidarität in Europa sei man auch heute noch weit entfernt, konzedierte Konrad. Gegen die Weigerung vor allem der Visegrád-Staaten, eine Verteilungsquote für Asylsuchende und Flüchtlinge in der EU zu akzeptieren, seien seines Erachtens jedoch Drohungen mit Zahlungseinstellung wenig sinnvoll. Besser argumentiere man mit den derzeit forcierten Abkommen mit den Maghreb-Staaten. In deren Rahmen gehe es nicht nur um Flüchtlinge, sondern ebenso "um größere ökonomische Interessen".

Seine Aufgabe als Flüchtlingskoordinator habe er bewusst mit öffentlicher Zurückhaltung ausgeübt, erläuterte Konrad: "Je mehr man sich äußert, umso mehr Widerstand gibt es in der Sache", sagte er. Neben den vielen Freiwilligen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagiert hätten – und dies weiterhin täten – strich er die Arbeit in Wien sowie in Vorarlberg positiv heraus.

"Wer will, der kann"

Der Fonds Soziales Wien mit seinem Geschäftsführer Peter Hacker habe es geschafft, bis dato bereits zwei Drittel aller Flüchtlinge in kleine Privatquartiere zu übersiedeln, in Vorarlberg sei es Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bereits bis Weihnachten 2015 gelungen, in allen Gemeinden außer zwei Asylwerber unterzubringen. Das beweise: "Wer will, der kann." (Irene Brickner, 27.9.2016)