Derzeit gibt es in Wien nur mehr fünf reine Flüchtlingskinder-Klassen.

Foto: Christian Fischer

Im vergangenen Schuljahr waren es noch 17, in diesem nur fünf: Reine Flüchtlingsklassen sind in Wien ein Jahr nach der großen Flüchtlingswelle eher eine Ausnahme. Nach Informationen des Wiener Stadtschulrats sind die meisten der rund 4.000 Flüchtlingsschüler mittlerweile in den regulären Unterricht integriert. Die Volksschule in der Rötzergasse 2–4 im 17. Wiener Gemeindebezirk beherbergte eine der 17 reinen Flüchtlingsklassen im vergangenen Schuljahr.

"Wir sind ein äußerst multikultureller Schulstandort", sagt Gerlinde Holzinger, die Schuldirektorin. Mehr als 90 Prozent der Kinder an dieser Schule sprechen nämlich zu Hause eine andere Muttersprache als Deutsch. Mit 30 verschiedenen Muttersprachen legt die Hernalser Volksschule sehr viel Wert auf die Mehrsprachigkeit ihrer Kinder.

Integration war "gewaltige Herausforderung"

Vielleicht hat gerade deshalb diese Schule die Integration von Flüchtlingsschülern im vergangenen Jahr gut gemeistert. 23 der gegenwärtig 280 Schüler hier sind Flüchtlinge. Nachdem im vergangenen Herbst besonders viele Kinder gekommen waren, musste die Schule von Februar bis Juni eine reine Flüchtlingsklasse auf die Beine stellen.

"Die sprachliche Integration hat letztes Schuljahr im Rahmen unserer Flüchtlingsklasse gut funktioniert, die soziale Integration der Kinder war aber eine gewaltige Herausforderung", sagt die Direktorin. Einige der 23 Kinder waren bis dahin überhaupt nicht eingeschult gewesen, viele konnten nicht lesen und schreiben. Es gab auch solche, die noch nie etwas vorgelesen bekommen hatten. Aus dieser sehr heterogenen Gruppe eine Klassengemeinschaft zu bilden war für die Lehrkräfte ein schwieriges Unterfangen. "Alle Kinder aus dieser Klasse sind jedoch seit diesem Schuljahr im regulären Unterricht", sagt Holzinger mit Stolz.

Traumatische Erlebnisse belasten

Als größtes Problem bei der Integration der Flüchtlingskinder nennt die Direktorin deren traumatische Erlebnisse. "Diese Kinder sind traumatisiert nach Österreich gekommen. Auch vor harmlosen Geräuschen haben sie oft Angst. Wenn sie zum Beispiel einen Hubschrauber hören, ducken sie sich oft oder fangen an zu weinen."

Der Umgang mit Traumata war für die Lehrerinnen und Lehrer eine teilweise neue Erfahrung. Um damit auch klarzukommen, werden sie von einem interkulturellen Mobilteam aus Psychologen, Sozialpädagogen und -arbeitern regelmäßig besucht. Dieses vom Bildungsministerium finanzierte und vom Wiener Stadtschulrat verwaltete Projekt wird bis Ende des Jahres finanziert – mit guten Aussichten auf Verlängerung. "Wir hoffen sehr auf eine Weiterfinanzierung, denn ihre Unterstützung bedeutet uns in der Schule viel", sagt Holzinger.

Schwierige Kommunikation mit Eltern

Die Kommunikation mit den Eltern stellt für die Schule eine weitere Herausforderung dar. Auch da hilft das interkulturelle Mobilteam. Neben fehlenden Sprachkenntnissen herrscht hier auch ein Informationsmangel über das österreichische Schulsystem. "Vielen Eltern von Flüchtlingskindern ist ein offener oder moderner Unterricht, der teilweise spielerisch organisiert wird, unbekannt", sagt die Direktorin. "Mein Kind soll lernen und nicht nur spielen und Spaß haben", lautet dann oft ihre Reaktion, berichtet Holzinger.

Von ihren Altersgenossen würden die Kinder jedoch meist gut aufgenommen. "Wir haben hier kaum Außenseiter. Es kann aber durchaus passieren, dass einige Kinder als einzige in ihrer Klasse eine bestimmte Muttersprache sprechen. Am Anfang fühlen sie sich ein bisschen einsam. Spätestens beim Spielen werden aber erste Kontakte zu Mitschülern geknüpft", sagt Holzinger, die darauf hinweist, dass ihre Schule viel Wert auf Regeln lege. Ohne diese wäre das Miteinander in diesem kleinen Hernalser Turmbau zu Babel mit rund 30 Sprachen kaum möglich. (Nedad Memic, 29.9.2016)