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Anne Hidalgo verordnete Paris einen autofreien Tag.

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Sie hat eine weiche Stimme, ein freundliches Wesen. Aber wenn sich Anne Hidalgo (57) etwas vornimmt, wird sie laut einem Nahestehenden "so stur wie ein Stier aus Andalusien". Diese spanische Region hatte sie mit ihren Eltern – einer Näherin und einem Gewerkschafter – im Alter von zwei Jahren verlassen. Anfang der Woche siegte die sozialistische Bürgermeister in der Arena des Pariser Stadtrats gegen die geschlossene Rechtsopposition, die erst noch von den Behörden und den Vorortgemeinden unterstützt wurde: In Umsetzung eines Wahlversprechens hebt Hidalgo die Stadtautobahn am rechten Seine-Ufer auf.

Auf der zweispurigen Schnellstraße brausen täglich 43.000 Autos am Tuilerienpark, dem Louvre-Museum, dem Quartier Latin und den Seine-Inseln vorbei – einer herrlichen Szenerie, die zum Unesco-Welterbe gehört. Jetzt wird die 3,5 Kilometer lange Strecke den Fußgängern und Radfahrern überlassen. Hidalgo spricht von einem "historischen Entscheid". Er ist die Krönung einer Verkehrspolitik, die schon Hidalgos Vorgänger und Parteifreund Bertrand Delanoë eingeleitet hatte.

Devise umgekehrt

Schrittweise bricht die rot-grüne Stadtregierung mit dem autofreundlichen Kurs, der in Paris seit den 60er-Jahren in den Slogan von Präsident Georges Pompidou mündete, man müsse die "Stadt dem Auto anpassen". Nun wird die Devise umgekehrt. Die Schnellbahn des linken Seine-Ufers wird bereits seit 2010 begrünt. Das setzte den ersten Entrüstungssturm ab. Für die acht Millionen Vorortebewohner war die Seine-Autobahn ein bequemes Mittel, in die City zu gelangen. Die damit verbundene Luftverschmutzung – sie wirkt in Paris wie das tägliche Rauchen von acht Zigaretten und verkürzt die Lebensdauer um zwei Jahre – schädigt hingegen die zwei Millionen Bewohner der Pariser Innenstadt. Und die oft betuchten und umweltbewussten Bobos unter ihnen wählen vorzugsweise Grün und Rot.

Hidalgo setzt sich notfalls auch über behördliche Empfehlungen hinweg: Eine Expertenkommission hatte im Fall der neusten Autobahnschließung eine Verstopfung der nahen Boulevards und dort eine noch stärke Luftverschmutzung vorausgesagt. Die linke Stadtvorsteherin hielt ihr entgegen, alle Beruhigungsmaßnahmen hätten in Paris nach einer zugegeben schwierigen Einführungsphase relativ bald zu einer Abnahme des Autoverkehrs geführt. Insgesamt sei er in Paris seit 2003 um mehr als ein Viertel gesunken. Um die Umgewöhnung zu erleichtern, geht die Bürgermeisterin stets schrittweise vor. Das rechte Seine-Ufer war zum Beispiel schon mehrere Sommer lang in einen Stadtstrand ("Paris-plage") verwandelt worden.

Mögliche Präsidentschaftskandidatin

Dieselwagen will Hidalgo langfristig ganz aus Paris verbannen. Altautos mit Zulassungen vor 1997 sind bereits verboten. Nächstes Jahr betrifft die Maßnahme auch die Jahrgänge bis 2001.

Während die Banlieue-Bewohner lauthals klagen, Hidalgo verweigere sich jeder verkehrspolitischen Gesamtplanung für die Agglomeration, wird die Bürgermeisterin in Paris selbst immer populärer. Sie will eine weltoffene Lichterstadt, die auch Flüchtlinge aufnimmt und auch – wie am Montag bekannt wurde – ein Nudistencamp einrichten soll. Und da die Touristen nach den Terroranschlägen von 2015 nur zögerlich an die Seine zurückkehren, hat sie auch einen stimmigen Werbefilm für die Stadt der Liebe subventioniert.

Viele Franzosen sehen in der unbeirrbaren Andalusierin eine mögliche Präsidentschaftskandidatin. Hidalgo hatte bisher die Wahl 2022 ins Auge gefasst. Doch wenn ihr Parteifreund François Hollande weiter im Umfrageloch bleibt, dürften bald Stimmen laut werden, Hidalgo solle schon im Mai 2017 antreten. (Stefan Brändle aus Paris, 29.9.2016)