
Eine Urne aus der Han-Dynastie, die der chinesische Superstar der Kunst, Ai Weiwei, 1994 mit dem Logo von Coca-Cola verzierte.
Graz – Aus der Ferne sieht es aus wie ein makabrer Ausschnitt eines Massengrabs. Doch wenn man sich die im Geviert angeordneten vermeintlichen Knochen näher ansieht, erkennt man lauter abgerissene Schnäbel – und zwar jene von Teekannen.
Die Installation ist ein typischer Ai Weiwei, genau wie die ganz in der Nähe aufgelegte Arbeit mit Knochen – allerdings solchen aus Keramik. Der chinesische Superstar der zeitgenössischen Kunst ist gemeinsam mit Edmund de Waal das Zugpferd für die Ausstellung Geknetetes Wissen – Die Sprache der Keramik, die als Kooperation mit dem Steirischen Herbst im Grazer Kunsthaus zu sehen ist. Der ehemalige Chef des Hauses, Peter Pakesch, hat die Schau zur Ehrenrettung einer der ältesten Kunstformen der Menschheit mit Beratung der beiden Künstler kuratiert.
De Waal, der derzeit auch mit seinem neuen Buch Die weiße Straße über die Geschichte des Porzellans viel Begeisterung erntet, ist ebenfalls mit keramischen, ästhetisch sehr anspruchsvollen Arbeiten in der Ausstellung vertreten. Bei ihm werden auch die Schaukästen zum Teil des Kunstwerks und dessen Wahrnehmung durch den Betrachter – sei es durch abgedunkelte Fächer, in denen die oft an weißen Bambus erinnernden Objekte verborgen sind, oder durch milchiges Glas, durch das man blicken muss. In beiden Fällen lockt Edmund de Waal die Besucher nahe an seine Arbeiten heran.
Stille Highlights
In der Ausstellung sind aber auch viele andere zeitgenössische und ältere Arbeiten vertreten, die mithilfe von Erde, Feuer, Wasser und den Händen Gestalt annehmen. Dabei gibt es Stücke, die an der – wahrscheinlich individuell zu ziehenden – Grenze zwischen Handwerk und Kunst kratzen.
Denn sogar bei manchen (intakten) Teekannen kann man von Kunst sprechen. Das schließt einander nicht aus. Etwas beim ausgestellten Replikat der an Architektur erinnernden Teekanne von Kasimir Malewitsch (aus der Sammlung de Waals) aus dem Jahr 1923. Oder bei jener aus dem Jahr 2014 von Alison Britton.
Nicht weit entfernt von ihnen steht ein weiteres stilles Highlight der Schau, eine schwarz-weiße Eule, La chouette, die kein Geringerer als Pablo Picasso 1953 formte und auf einen ziegelartigen Sockel setzte. Das Stück ist eine Leihgabe aus dem Museum Ludwig in Köln.
Ebenfalls aus Köln, allerdings aus dem Museum für Ostasiatische Kunst, stammt eine ganze Reihe außergewöhnlich gut erhaltener antiker Stücke, Schalen, Vasen und Amphoren, manche tausende Jahre alt und schon mit aufwendigen Verfahren glasiert. Ai Weiwei selbst hat bei der Auswahl dieser Stücke geholfen, und mit einigen seiner Arbeiten schließt sich auch wieder der Kreis zur Geschichte der Keramik.
So etwa bei der schon fast ikonischen Urne aus der Han-Dynastie, die Ai Weiwei, der bei der Eröffnung der Ausstellung am vergangenen Samstag in Graz anwesend war, 1994 mit einem Coca-Cola-Logo versah. (Colette M. Schmidt, 30.9.2016)