Infrarotbild des Rho-Ophiuchi-Sternentstehungsgebiets (links). Das rechte Bild zeigt thermische Staubstrahlung von der protoplanetaren Scheibe, die den jungen Stern Elias 2-27 umgibt.

Foto: NASA/JPL-Caltech/WISE-Team, B. Saxton (NRAO/AUI/NSF); ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), L. Pérez (MPIfR).

Bonn – Astronomen haben in der protoplanetaren Gas- und Staubscheibe um einen jungen Stern eine auffällige Spiralstruktur entdeckt. Solche Scheiben sind die Geburtsstätten neuer Planetensysteme, und Strukturen darin dürften eine wichtige Rolle für die Entstehung von Planeten um junge Sterne spielen. Wissenschafter gehen davon aus, dass derartige Strukturen entweder Folge der Anwesenheit junger Planeten sind oder aber die Bedingungen schaffen, unter denen neue Planeten überhaupt erst entstehen können.

Der junge 450 Lichtjahre entfernte Stern Elias 2-27, den das Team um Laura Pérez vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile angepeilt hat, ist Teil einer weit größeren Sternentstehungsregion mit der Bezeichnung Rho Ophiuchi im Sternbild Schlangenträger. Elias 2-27 hat sich erst vor rund einer Million Jahren gebildet – ein kurzer Zeitraum im Vergleich mit dem Alter unserer Sonne von rund 4,6 Milliarden Jahren.

Von diesem Stern war bereits bekannt, dass er von einer Scheibe umgeben ist; nach den bisherigen Beobachtungen mit einem Auflösungsvermögen zwischen 0,6" und 1.1" hätte es sich allerdings ebenso gut um eine strukturlose, zylindersymmetrische Scheibe handeln können. Die neuen ALMA-Beobachtungen mit Auflösungsvermögen von nur 0,24" zeigen Strahlung mit einer Wellenlänge von 1,3 Millimetern. Diese Strahlung geht auf das Vorhandensein von Staubpartikeln zurück, die zwischen einem und zehn Prozent der Gesamtmasse der Scheibe beitragen. Mithilfe dieser Strahlung konnten die Astronomen das erwähnte Spiralmuster von einem Abstand von rund hundert Astronomischen Einheiten (also 100 Mal dem mittleren Abstand der Erde von der Sonne) zum Zentralstern bis hinaus zu einer Entfernung von 300 Astronomischen Einheiten verfolgen.

Glücksfall für die Planetenforschung

Die dabei wahrgenommenen Spiralstrukturen stellen einen Glücksfall für die Planetenforschung dar, denn ohne solche Unterstrukturen könnten Planeten möglicherweise gar nicht erst entstehen. Der Grund dafür: Ist die Materie in einer Scheibe weitgehend gleichmäßig verteilt, können Planeten nur Schritt für Schritt entstehen. Staubteilchen in der Scheibe kollidieren und haften aneinander, und im Laufe der Zeit entstehen so immer größere Objekte.

Problematisch wird es freilich, sobald die Objekte größer als einige Meter werden. Dann erfahren sie auf ihrer Bahn um den Stern so viel Reibung durch das umgebende Gas, dass diese Objekte auf Zeitskalen von tausend Jahren oder weniger nach innen wandern und in den Zentralstern fallen. Das ist viel kürzer als die Zeit, die solche Objekte benötigen würden, um durch aufeinanderfolgende Stöße bis zur Größe von Planeten anzuwachsen und bei solcher Größe dann gegen die Gasreibung vergleichsweise unempfindlich zu sein. Wie also können sich überhaupt größere Objekte bilden? Ohne eine gute Antwort auf diese Frage können wir die Entstehung unseres Sonnensystem und anderer Planetensysteme nicht verstehen.

Instabilitäten im Großen wie im Kleinen

Es gibt verschiedene Lösungsansätze für Mechanismen, die urtümlichen Felsbrocken helfen können, zu wachsen und schließlich die Größe zu erreichen, wo sie sich mithilfe der Schwerkraft zu ausgewachsenen Planeten zusammenfügen. "Die Spiralstruktur, die wir in Elias 2-27 beobachtet haben, ist der erste direkte Hinweis auf spiralförmige Dichtewellen in einer protoplanetaren Scheibe" sagt Pérez, die Erstautorin der im Fachjournal "Science" erschienen Arbeit. "Sie zeigt, dass sich innerhalb der Scheibe Instabilitäten bilden können, die zu Teilgebieten deutlich größerer Dichte führen und damit zur Bildung weiterer Planeten." Solche Instabilitäten treten nicht nur auf den Größenskalen der Planetenentstehung auf: Das wohl bekannteste Beispiel sind Dichtewellen in Spiralgalaxien, die für die markanten Spiralarme solcher Galaxien verantwortlich sind.

In Regionen erhöhter Dichte, wie sie entlang der jetzt beobachteten Dichtewellen auftreten, könnte die Planetenentstehung dagegen ungleich rascher fortschreiten, sowohl aufgrund der erhöhten Schwereanziehung in dem betreffenden Gebiet als auch aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit von Zusammenstößen. Das könnte die Antwort auf die Frage sein, wie in einer Scheibe Objekte mit Durchmessern größer als einige Meter entstehen können.

Planeten, die bereits in der Scheibe entstanden sind, können aber auch ihrerseits spiralförmige Dichtewellen auslösen, während sie um den Zentralstern umlaufen. Diese zwei Rollen auseinanderzuhalten – Spiralarme einerseits als Auslöser für die Planetenentstehung oder andererseits selbst durch Planeten erzeugt? – verlangt nach einem tieferen Verständnis, zu dem Beobachtungen wie das jetzt veröffentlichte ALMA-Bild beitragen können. (red, 30.9.2016)