Die Besucher sollen "ansatzweise spüren", wie sich junge Flüchtlinge im Asylverfahren fühlen.

Foto: Gökhan Uysal

Wien – "Haben Sie ein Dokument, das ihre Identität bestätigt?" Kopfschütteln. "Woher wissen Sie dann, wann Sie geboren wurden?" Die Fragen kommen schnell hintereinander und gehen immer tiefer ins Detail. "Wer hat Ihr Haus bombardiert?" "Welche Farbe hatte das Fluchtauto?"

Regina Schmid ist Leiterin einer Wohngemeinschaft für unbegleitete Minderjährige des Don Bosco Flüchtlingswerks. Sie begleitet als Vertrauensperson junge Flüchtlinge zu ihren Interviews beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Auf Basis dieser mehrstündigen Befragung wird entschieden, ob jemand Asyl bekommt oder nicht.

Fünfter Langer Tag der Flucht

Am Freitag ist Schmid in die Rolle einer BFA-Referentin geschlüpft. Die Fragen richtet sie an Besucher des "Langen Tags der Flucht", der zum fünften Mal vom Flüchtlingshochkommissariat UNHCR organisiert wurde. Österreichweit beteiligten sich NGOs und Kunststätten mit Projekten, Lesungen und Workshops am Programm.

Bei "Feel like a refugee" in einem Jugendzentrum in Wien-Landstraße wurden die Stationen nachgestellt, die junge Asylsuchende absolvieren müssen. Die meisten Besucher sind Oberstufenschüler. Sie bekommen am Eingang eine Rolle inklusive Lebensgeschichte zugeteilt: Sie spielen etwa die 17-jährige Aayan aus Somalia, die im Alter von zehn Jahren mit einem gewalttätigen Mann verheiratet wurde und mit 14 beschloss, zu flüchten.

Für den Asylantrag geht es in einen stickigen Raum. Die Fragen werden in einer Sprache gestellt, die man nicht spricht. Man muss lange warten. Jemand dirigiert einen zur Altersfeststellung, wo man mit monotoner Stimme aufgefordert wird, zum imaginären Röntgengerät vorzutreten. Beim Persischkurs versteht man kein Wort und beim Interview soll man intime Fragen zum Leben der gespielten Person beantworten. Eine Schülerin will gar nicht weitersprechen, als sie erzählen soll, was Aayan in Somalia passiert ist.

Kritik an Prozedere

Besucher sollen bei dieser "Lightversion ansatzweise spüren", wie sich junge Flüchtlinge fühlen, sagt Don-Bosco-Chefin Eva Kern zum STANDARD. Sie kritisiert etwa, dass das BFA nicht unterscheide, ob Männer oder Frauen, Jugendliche oder Erwachsene befragt würden: So könne es in der Realität vorkommen, dass ein Mädchen, das im Heimatland vergewaltigt wurde, das Erlebte einem männlichen Referenten schildern muss.

Die Schüler machen am Freitag interessiert mit. Hin und wieder ruft jemand ungläubig "Alter!?". Viele lachen betreten – und wirken erleichtert, als sie zum abschließenden Buffet dürfen. (Christa Minkin, 1.10.2016)