Die Zurich-Versicherung will ihr Bürogebäude neben der Wiener Karlskirche aufstocken. Die Stadt steht hinter dem Projekt, Bürgerinitiativen, Anrainer und die FPÖ sind dagegen.

rendering: henke schreieck

Die Konfiguration und die Höhe des neben der Karlskirche stehenden Zurich-Bürogebäudes gehen auf einen städtebaulichen Ideenwettbewerb zurück, der von der Stadt Wien 1966 unter dem Titel "Umgebung der Karlskirche" durchgeführt wurde.

Hinter der Jury-Entscheidung und den daraus resultierenden städtebaulichen Festlegungen steht die Idee, den Karlsplatz tendenziell zu einem "klassischen" Platz mit möglichst geschlossenen Raumfassungen entwickeln zu wollen. In diesem Sinn schloss der Architekt Georg Lippert den Bürobau mit Brückengeschoßen an das bis dahin frei stehende Museum der Stadt Wien an und rückte es auch bedenklich knapp an die Karlskirche heran.

Gescheiterter Versuch

Aus heutiger Sicht ist der Versuch, aus dem Karlsplatz einen geschlossenen Platzraum zu machen, gescheitert. Dafür sind nicht zuletzt die historischen Prägungen dieses speziellen Ortes verantwortlich. Das Glacis, das sich vor der Schleifung der Stadtmauern als breit fließender Raum tangential um die Kernstadt gelegt hatte, ist bis heute in der Charakterisierung der Raumsequenzen entlang der "Zweierlinie" spürbar. Dieser Raumfluss widersetzt sich immer noch der Umdeutung in streng proportionierte "Plätze".

Es ist daher städtebaulich sinnvoll, diese historische Prägung des Raums ernst zu nehmen. Der Rückbau der Brückengeschoße zwischen dem Zurich-Gebäude und dem Wien-Museum und die Öffnung der räumlichen Beziehung zwischen Karlsplatz und Schwarzenbergplatz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das Museum gewinnt wieder – verstärkt durch die geplante Aufstockung – seine solitäre Stellung zurück.

Vertikalität der Architektur

Im Hinblick auf die Höhenentwicklung des Bürogebäudes soll der Architekt Georg Lippert selbst zu Wort kommen1:

"Die Stadt Wien schrieb einen Wettbewerb aus, der für den privaten Bauherrn zwar keine bindenden, so aber doch indirekt verpflichtenden Ergebnisse bringen sollte. (...)
Die schließlich aber um ein Geschoß reduzierte Bauhöhe verhinderte eine vollständige Abschirmung der dahinter liegenden Dächer- und Schornstein-Silhouette. Auch des Gleichgewichtes der Baumassen Technische Hochschule – neues Fruhwirth-Haus (das Zurich-Gebäude, Anm.) wegen wäre es vorteilhafter gewesen, die Bauklasse 4 beizubehalten und mit der gleichen Höhe auch das Museum zu überbauen."

Lippert argumentiert im Sinne der schon von Otto Wagner vertretenen Überzeugung, dass die Vertikalität der Architektur der Karlskirche umso effektvoller zur Wirkung kommt, je ruhiger und horizontaler geschichtet die angrenzenden Bebauung in Erscheinung tritt. Die bis heute vom Karlsplatz aus sichtbare, pittoresk bewegte "Dächer- und Schornstein-Silhouette" sollte daher durch eine ausreichende Höhe der davor stehenden Gebäude "abgeschirmt" werden. Wenn also Gegner des aktuell zur Diskussion stehenden Projekts einer Aufstockung, mit dem das Architekturbüro Henke Schreieck einstimmig als Sieger eines Wettbewerbs hervorgegangen ist, meinen, "Georg Lippert war ein sehr guter Architekt. Der braucht niemanden, der ihn korrigiert", dann sollten sie wissen, dass er selbst – wenn man ihm die Gelegenheit dazu gegeben hätte – den Bau durch eine Aufstockung korrigiert hätte.

Chance einer Verkürzung wahrnehmen

Durch die Aufstockung soll offenbar jener Verlust an Kubatur kompensiert werden, der durch den Rückbau der an das Wien-Museum andockenden Brückengeschoße entsteht. Statt die Aufstockung infrage zu stellen, sollte nachdrücklich gefordert werden, dass durch diesen Gewinn an neuer Nutzfläche auch die Chance einer Verkürzung des Gebäudes um etwa drei Fensterachsen ergriffen wird. Das Zurich-Gebäude würde dadurch ausreichend weit von der Karlskirche abrücken.

So wie durch den Rückbau der Brückengeschoße die Straßenräume der Brucknerstraße und der Technikerstraße vom Schwarzenbergplatz her bis zum Karlsplatz durchfließen werden, würde durch die Verkürzung des Bürobaus eine verlängerte Hoyosgasse östlich der Karlskirche in den Platz münden und so eine Entsprechung zur Argentinierstraße im Westen der Kirche bilden können. Die "hinter" der Karlskirche und dem Wien-Museum bestehenden Straßen (Kreuzherrengasse, Matiellistraße, Maderstraße,Technikerstraße und Brucknerstraße) sollten weitgehend verkehrsberuhigt werden. Ihre Oberflächengestaltungen sollten durch Aufpflasterungen jener des Karlsplatzes angepasst werden. Die Kirche und das Museum würden dadurch auf einer durchgängigen, großzügigen Platzfläche zu stehen kommen, der Raumfluss wäre besser erlebbar. Das wäre eine konsequente und sinnvolle stadträumliche Korrektur. (Erich Raith, 4.10.2016)