Die realpolitische Kulisse für das Anti-Asyl-Referendum in Ungarn war von Anfang an brüchig. 1.300 Flüchtlinge sollte das Land laut einmaligem EU-Quotenbeschluss vom Vorjahr aufnehmen – bei zehn Millionen Einwohnern eine verschwindend kleine Zahl. Eine dauerhafte EU-Quotenregelung ist ohnehin spätestens auf dem jüngsten Gipfel in Bratislava in weite Ferne gerückt.

Auch zur innenpolitischen Stärkung hätte der mit satter Parlamentsmehrheit ausgestattete Premier Viktor Orbán das Referendumstheater nicht auf den Spielplan setzen müssen. Mit der Frage, ob das Volk der verpflichtenden Ansiedlung nichtungarischer Staatsbürger per EU-Beschluss zustimmt, hatte er mehr zu verlieren als zu gewinnen: Auch viele seiner Anhänger waren von der teuren und über weite Strecken reißerischen Kampagne nur mäßig begeistert.

Blieben als eigentliches Publikum die Partner in der EU. Orbán wollte in Brüssel einen nationalen Schulterschluss vorweisen und jene Anerkennung finden, die ihm auf internationaler Bühne häufig verwehrt wird. In Europa wurde aber sehr genau registriert, dass die Mobilisierung der vergangenen Wochen vor allem auf das Erreichen des Quorums von 50 Prozent der Wahlberechtigten abzielte – und dieses Ziel wurde deutlich verfehlt. Viel Eindruck konnte Orbán mit dieser Inszenierung nicht schinden. Wenn er nun trotzdem härtere Gesetze ankündigt, dann führt er sein eigenes Referendum auch noch rückwirkend ad absurdum. (Gerald Schubert, 2.10.2016)