Viktor Orbán hat bereits erklärt, dass er auch bei Nichterreichen der Mindestbeteiligung "gesetzliche Konsequenzen" aus dem Referendum ziehen will.

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Budapest – Das ungarische Referendum über die umstrittenen EU-Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen ist ungültig. Zwar stimmten laut Webseite der Wahlbehörde 98,3 Prozent gegen eine EU-Flüchtlingsquote, allerdings gaben nur 40,4 Prozent statt der erforderlichen 50 Prozent der wahlberechtigten Ungarn bei der Abstimmung gültige Stimmen ab, die Wahlbeteiligung lag bei 43,4 Prozent.

Die Frage beim Referendum lautete: "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?"

Gyurcsany fordert Orbáns Rücktritt

Während die konservative Regierungspartei Fidesz-MPSZ das Referendum dennoch als Sieg feierte, forderte die sozialliberale Opposition den Rücktritt Orbáns. Dieser habe "alles auf eine Karte gesetzt und damit einen enormen Eklat erlitten", sagte Ex-Premier Ferenc Gyurcsány, Chef des Demokratischen Forums, am Sonntag. Angesichts der Ungültigkeit des Volksbegehrens betonte Gyurcsány: "Wir haben einen Sieg errungen, und noch dazu einen großen Sieg." Die demokratische Opposition habe nun die Aufgabe, daraus "eine Kraft zu formen, die den Regierungswechsel vollziehen kann".

Laut Sozialistenchef Gyula Molnàr wäre es "verfassungsfeindlich", wenn die Regierung, sich auf das Ergebnis des "ungültigen Referendums berufend, in Aktion tritt". Orbán hatte am Sonntagvormittag "staatsrechtliche Schritte" nach dem Volksbegehren angekündigt.

Jobbik: "Riesiges Eigentor" von Orbán

Orbán habe sich ein "riesiges Eigentor geschossen und eine persönliche Niederlage erlitten", erklärte der Chef der rechtsradikalen Jobbik-Partei, Gábor Vona. Er forderte den Premier zum Rücktritt auf; dieser solle "die Niederlage nicht zu erklären versuchen, sondern anerkennen". Die sozialliberale Partei "Gemeinsam" sah in dem Ergebnis einen Sieg des Boykotts der Opposition. Das Referendum sei eine "Vertrauensabstimmung gegenüber der Regierung gewesen, und diese hat dieses Vertrauen nicht erhalten".

Für den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Chef des kleinen Regierungspartners Christdemokraten, Zsolt Semjén, waren die 3,2 Millionen Nein-Stimmen hingegen der Beweis, dass die Regierung in der Lage sei, ihre Bürger zu schützen. "Wir haben der Welt gezeigt, dass Ungarn ein demokratisches Land ist." Die Regierung habe ihre Bürger zu einem solch wichtigen Thema gefragt, ob sie mit dem Islam zusammenleben wollen, was andere EU-Staaten unterließen. Auch die europäischen Spitzen hätten sich nicht für die Meinung der EU-Bürger interessiert.

Asselborn erleichtert

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nahm das ungültige Flüchtlingsreferendum mit Erleichterung auf. "Das ist kein guter Tag für Herrn Orbán und kein so schlechter Tag für Ungarn und die EU", sagte er am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur. die Ungarn hätten sich europäischer als ihre Regierung gezeigt.

Asselborn wertete das Ergebnis als "passiven Widerstand" einer Mehrheit. "Ich hoffe, dass wir uns in der EU konsequent auf die Seite der Mehrheit der Ungarn und gegen den Kurs der ungarischen Regierung stellen", sagte der Sozialdemokrat. "Die Ungarn verdienen unseren Respekt." (red, APA, dpa, 2.10.2016)

Update, 3.10., 14:03: Im obenstehenden Text wurde die auf Angaben von Sonntagabend beruhende Angabe zur Wahlbeteiligung und der Zahl gültiger Stimmen auf den aktuellen und vermutlich letztgültigen Stand gebracht.