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Flüchtlinge mit Asylstatus könnten ab nächstem Jahr als Erntehelfer arbeiten.

Foto: dpa/Gollnow

Wien – In der Regierung wird derzeit heftig darüber diskutiert, wie Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die Landwirtschaftskammer hat dazu ein Paket ausgearbeitet, das schon mit nächster Saison, also ab Frühjahr, die Beschäftigung im Agrarsektor erleichtern könnte. "Ein paar hundert" Jobs könnten dabei entstehen, erläutert Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes, der den Vorschlag beim Bad Ischler Dialog präsentierte. Dieses alljährliche Treffen der Sozialpartner fand vergangene Woche statt. Der Vorschlag wurde mit Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, der diese Funktion mit Ende September bekanntlich aufgab, entwickelt.

Laut Schultes muss an ein paar Stellschrauben gedreht werden, damit die Beschäftigung von Menschen mit Asylstatus möglich wird. Vor allem müsste das Parlament befasst werden, sodass die Arbeitskräfteüberlassung von Flüchtlingen in der Land- und Forstwirtschaft möglich wird.

Deutsch- und Fachkenntnisse

Neben entsprechenden Deutschkenntnissen müssten außerdem Schulungen angeboten werden. "Der Bauer muss sich ja sicher sein, dass gewisse Grundkenntnisse vorhanden sind", sagte Schultes im Club der Wirtschaftspublizisten. Bei der Ausbildung könne man mit dem Arbeitsmarktservice zusammenarbeiten. Auch könnte die theoretische Ausbildung über ein landwirtschaftliches Ausbildungszentrum sowie den Landarbeiterkammertag erfolgen. Einen etwa 14-tägigen Fachkurs hält Schultes da für ausreichend. Bei der Logistik des Ganzen habe sich der Maschinenring bereiterklärt, Angebot und Nachfrage zu koordinieren.

Was die Finanzierung betrifft, gibt es viele Denkmöglichkeiten. Wenn sichergestellt ist, dass die vom Maschinenring bereitgestellten Flüchtlinge als Saisonniers eine entsprechende Qualifikation aufweisen, könnten durchaus die marktgängigen Sätze gezahlt werden: Es sind dies Euro 6,50 bis 8,50 für die Stunde.

Pensionsversicherung als Hindernis

Allerdings erschwert, dass in Österreich im Gegensatz zu Deutschland Pensionsversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen. Da der Saisonnier dies übernehmen muss, bleibt ihm weniger. "Viele, zum Beispiel rumänische Saisonniers werden aber keine Pension in Österreich beanspruchen", sagt Schultes, der dafür plädiert, dass zumindest eine Anfangszeit lang diese Regelung ausgesetzt wird. Erst wenn sicher ist, dass der Beschäftigte bei dem Job und in Österreich bleibt, sollten diese Beiträge schlagend werden. Schultes plädiert dafür, dass in den ersten drei Beschäftigungsmonaten der Pensionsbeitrag nicht anfällt.

Brexit macht der Branche Kopfweh

Auf ein schwieriges Problem im Rahmen des Brexit macht Schultes aufmerksam. Das EU-Agrarfördersystem ist sehr fein austariert. Bei einem schnellen Brexit-Schlussstrich könnte es da innerhalb der EU zu Verwerfungen im System kommen. Derzeit ist Großbritannien ein Nettozahler, vor allem ins EU-Agrarbudget, das etwa 50 Prozent des EU-Haushalts ausmacht. Die britische Landwirtschaft stellt nur 60 Prozent des Bedarfs an Lebensmitteln; vieles muss importiert werden – häufig aus Frankreich, einem der großen agrarischen Überschussländer.

Wenn dieses Faktum beim Brexit nicht sauber ausverhandelt wird, könnten sich die Nachfrageströme des 65-Millionen-Menschen-Marktes England natürlich verlagern, zum Beispiel nach Kanada. "Der Brexit gehört unter Beachtung der landwirtschaftlichen Interessenlage der EU abgewickelt", fordert Schultes. (Johanna Ruzicka, 3.10.2016)