Wien/Brüssel – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist in Sachen Freihandelsabkommen Ceta gegen eine Volksabstimmung. "Das ist nicht total abwegig, aber ich halte es nicht für den richtigen Weg", sagte Kern am Montag bei einem Journalistengespräch in Wien. Das "richtige Forum" für die weitere Behandlung des geplanten Abkommens zwischen Kanada und der EU sei das österreichische Parlament, erklärte der Kanzler. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sieht nach diesen Aussagen Kerns Einigkeit in der Koalition.
Die Gespräche über das Handelsabkommen sieht Kern derzeit weiter auf dem richtigen Weg. Wenn die Schiedsgerichte in Ceta vorläufig nicht in Kraft treten und den nationalen Parlamenten zur Entscheidung vorgelegt werden und in einer rechtsverbindlichen Zusatzerklärung punkto Daseinsvorsorge klargestellt wird, dass die jeweiligen Regierungen entscheiden, was zum Public Service zählt, dann würde das dem Bundeskanzler für eine Zustimmung reichen. "Das würde unsere Forderungen juristisch abbilden."
Selbstkritik bei Mitgliederbefragung
Selbstkritisch zeigte sich Kern im Zusammenhang mit der Ceta-Mitgliederbefragung der SPÖ. Die Teilnahmezahlen seien zwar okay gewesen, "der Diskussionsprozess hat aber keine Breite gewonnen, das haben wir nicht geschafft", so der SPÖ-Chef. Auch wenn die Befragung in Österreich Kritik ausgelöst habe, auf europäischer Ebene habe das Vorgehen dabei geholfen, "dass die Bedenken Österreichs ernst genommen werden". Vom EU-eigenen Abkommen sei die Causa inzwischen zur Misch-Materie geworden.
Dass die SPÖ beim geplanten Handelsabkommen kleinhäuslerisch und protektionistisch agiere, wies Kern zurück. Man dürfe Ceta auch nicht überbewerten. Der BIP-Effekt in Österreich betrage 6 Euro mehr pro Person. Es gebe Handelsabkommen zwischen Österreich und einzelnen Ländern, die größere Effekte hätten und bedeutender wären. Von einem Schaden für Industrie und Standort könne deshalb keine Rede sein.
Darüber hinaus gehe es ganz grundsätzlich um die Vorgangsweise der EU. Von Wachstum und Entwicklungen der Globalisierung dürften nicht nur Konzerne und Kapital profitieren, es brauche einen "sozialen Ausgleich", sonst säßen in vielen europäischen Ländern bald die Rechtspopulisten an den Schalthebeln der Macht.
Mitterlehner: Eine Linie
Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) freut sich. "Damit steht einer gemeinsamen Regierungslinie Österreichs inhaltlich nichts mehr im Weg", kommentierte er die Äußerungen. Mit dem fertigen Vertrag und der ohnehin seit einiger Zeit geplanten rechtsverbindlichen "Gemeinsamen Erklärung" von EU und Kanada könnten nun alle Bedenken ausgeräumt werden. "Das ist eine vernünftige Linie im Sinne des Exportlandes Österreich", sagte er.
"Bereits im Juli haben wir erreicht, dass der Kanada-Vertrag als gemischtes Abkommen eingestuft wird und somit das österreichische Parlament das gesamte Abkommen ratifizieren darf. Beim informellen Handelsministerrat im September wurde zudem bestätigt, dass Schiedsgerichte von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden", erinnerte er am Montag. Diese Forderung habe er schon mehrfach auf europäischer Ebene eingebracht, zuletzt beim Handelsministerrat im Mai. An einer verbindlichen Gemeinsamen Erklärung, die Bedenken ausräumen soll ohne das Abkommen neu aufzuschnüren, werde derzeit gearbeitet.
Zugleich bekräftigte Mitterlehner, dass es am 18. Oktober in Luxemburg einen Sonderministerrat der EU-Handelsminister geben wird, der Ceta beschließen soll. Am 27. Oktober soll das Abkommen dann auf einem Gipfel zwischen EU und Kanada unterzeichnet werden. (APA, 3.10.2016)