Ist man als Gegner von Ceta automatisch Populist? Ist man von Amts wegen Opportunist, wenn man mit der Kronen Zeitung mal einer Meinung ist? Was hat Ceta mit Freihandel zu tun? Fragen, die sich anlässlich der ressentimentgeladenen Kritik von Professor Anton Pelinka an Bundeskanzler Christian Kern nicht zum ersten Mal stellen.

Beginnen wir mit Ceta. Wozu braucht man für die Abschaffung einiger Zölle und die Vereinheitlichung von Normen (Blinkerfarben der Autos) ein Abkommen mit 1600 Seiten? Weil es nicht um Freihandel geht, sondern um die Ausschaltung des Rechtsstaates, Durchsetzung von Konzerninteressen sowie die Entrechtung der Bürger durch Sondergerichte und Abschaffung des Vorsorgeprinzips unter Beibehaltung des lächerlichen europäischen Schadenersatzrechts (das Schlechteste aus beiden Welten). Dazu undemokratische Lobbyausschüsse, die noch vor den Bürgern Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen können.

Oder in Ceta der "gemischte Ceta-Ausschuss", der im Nachhinein (!) Vertragsbestimmungen ändern kann. Das alles für ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,05 Prozent. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner spricht von zigtausenden Arbeitsplätzen, die Ceta bringt. Man sollte dem Mann eine Rechner-App spendieren. Bei der optimistischen Annahme, die Arbeitslosigkeit sinke im Ausmaß des Wachstums, wären das in Österreich 200 neue Jobs. Wow! Egal, ob man für oder gegen Freihandel ist, zeigt sich, dass dieser Freihandel einen Grenznutzen hat, jenseits dessen sich nicht mehr viel bewegt und die Wirkungen ins Negative umschlagen können.

Man kann die Nebenwirkungen von Ceta für alles zwischen vernachlässigbar oder katastrophal halten. Das ist eine Frage der persönlichen Bewertung und hat nichts mit Populismus zu tun. Angesichts der vielen Ungereimtheiten würde man mit der "Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns" einen solchen Vertrag im normalen Geschäftsleben nur mit am Kopf angesetzter Pistole unterschreiben. Aber das muss man als Politologe ja nichts wissen und kann sich in apokalyptischen Schauern ergehen: "Wenn Ceta an Kern scheitert, wäre das Wahnsinn." Bei der laut offizieller Schätzung minimalen wirtschaftlichen Wirkung von Ceta ein bisserl viel Polit-Grusel. Andersherum stimmt es eher: Die demokratiepolitischen Folgen der Realisierung von Ceta (und TTIP) weisen durchaus in Richtung Wahnsinn. Es sollte einem Politologen auffallen, dass diese Abkommen wieder ein Schritt hin zu Frau Merkels "marktkonformer Demokratie" sind.

Wenn man das noch mit einem besonders dummen Kronen Zeitung-Bashing koppelt ("erbärmlicher Wettlauf um die Krone", so Pelinka), wird die Sache ärgerlich. Bezüglich der Krone herrscht auffällige Doppelzüngigkeit: Krone gegen Hainburg etc. ist prima, Krone gegen TTIP/Ceta ist populistisch. Wie hätt' mas denn gern? Kern zu unterstellen, sich in Sachen Ceta der Krone anzubiedern, ist fragwürdig. Die allermeisten SP-Mitglieder sind gegen TTIP und Ceta. So jämmerlich die Teilnahme von nur 14.000 SP-Mitgliedern an der Umfrage von Kern ist, das ist immer noch das rund 30-Fache dessen, mit dem Meinungsforscher bei der Sonntagsfrage herumwacheln. Auch wenn die Fragen sehr suggestiv waren, das Ergebnis ist repräsentativ für die Ansichten der SP-Mitglieder. Ist es populistisch, wenn ein SP-Chef sich um die politischen Vorstellungen der eigenen Basis schert?

Politologen wie Pelinka haben den Begriff "Populismus" derart ausgehöhlt, dass er keinerlei Erkenntniswert mehr hat und die klaren Trennlinien zwischen den politischen Richtungen unkenntlich macht. Mit der höchstmöglichen Unschärfe, die diesem Begriff inzwischen inhärent ist, erweist man der liberalen Demokratie einen Bärendienst. Man hat aus einem demokratisch vernünftigen Verhalten, "populistisch" der Vox populi zu lauschen, einen diffamierenden Allerweltsbegriff gemacht. Natürlich sollten Politiker der Bevölkerung immer einen kleinen Schritt voraus sein. Aber sie dürfen dabei nicht außer Sicht- und Hörweite der von ihnen Vertretenen geraten (da droht dann "Abgehobenheit").

FPÖ ist rechtsradikal

Kern, Kurz und Strache in einen gemeinsamen Populismus-Topf zu schmeißen bietet keinen Erkenntnisgewinn. Insbesondere die Verwendung des Begriffs "Rechtspopulismus" in Verbindung mit Parteien à la FPÖ & Co ist verantwortungslos und dem Fakt geschuldet, dass man sich um klare politische Zuordnungen drückt. Man kann Kurz "rechtspopulistisch" nennen. Die FPÖ aber ist rechtsradikal. Was nicht gleichzusetzen ist mit "nationalsozialistisch", auch wenn die FPÖ das unglaubliche Pech hat, bei der Wahl ihrer Symbole und Begrifflichkeiten rein zufällig und unabsichtlich stets Versatzstücke der NS-Ideologie zu erwischen. So etwa Odin, der Lieblingsmaler von Herrn Hofer, der als Markenzeichen seiner Werkstatt jenes Runenzeichen verwendet, das einst Wappen der SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division "Prinz Eugen" war.

Das Wort "populistisch" ist zu einer undifferenzierten Wortkeule geworden, mit der man in jede Richtung fuchteln kann. Irgendwas wird schon hängenbleiben. Wissenschaft sieht anders aus. (Michael Amon, 3.10.2016)