Michael Holoubek warnt vor zu hohen Strafen für Medien.

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Wien – 476 Anzeigen wegen Verdachts auf Schleichwerbung in österreichischen Medien, die ohne Konsequenzen bleiben, 102 davon verschwinden gar spurlos in der Polizeidirektion Graz: Die Rechercheplattform "Dossier" hat das Thema Schleichwerbung kürzlich anlässlich eines Schwerpunkts zu zehn Jahren Österreich auf das Tapet gebracht und von überforderten Behörden geschrieben, die die Anzeigen eines Studenten im Sand verlaufen lassen – DER STANDARD berichtete.

Laut Mediengesetz sind Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, als solche zu kennzeichnen. Sonst droht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall sind es sogar 60.000 Euro.

Experte: Zuständigkeit soll weg von der Polizei

Mindestens so wichtig wie Sanktionen selbst sei die Verankerung von gesellschaftlichen Werten, etwa dass Zuwiderhandeln verpönt ist, sagt der Rundfunkrechtler Michael Holoubek. Und die Frage: "Bin ich der Böse, weil ich es übertrete, oder bin ich der Blöde, weil ich mich daran halte?"

Die Strafen für Schleichwerbung würde Holoubek nicht zwingend erhöhen, vorstellen kann er sich aber, die Zuständigkeit zu verlagern – weg von der Polizei, hin zur Medienbehörde KommAustria. "Im Zweifel würde ich das so sehen", sagt Holoubek zum STANDARD, "die Sachbehörde hat die Expertise dazu." Holoubek, der am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien lehrt, hält am Dienstag die Keynote bei der Tagung im ORF-Zentrum zu "Authentizität von Bildern im digitalen Zeitalter". Holoubeks Thema sind Kennzeichnungspflichten im Journalismus. Medienkonsumenten dürften nicht getäuscht werden, sagt er: "Es ist eben nicht egal, ob Werbung und Berichterstattung verschmelzen."

Im Strafrecht würde er das Delikt dennoch nicht verankern, auch wenn Verwaltungsstrafen ein "schwieriges Instrument" seien, weil sie oft "aus der Portokasse" bezahlt würden. Strafrecht und Medienberichte befänden sich in einem "heiklen Verhältnis". Außer wenn es um den Kernbereich der Persönlichkeitsrechte geht: "Da muss ich die Integrität schützen." Generell warnt er vor zu hohen Entschädigungszahlungen, um die "Freiheit der Berichterstattung" nicht zu gefährden: "Sie ist ein hohes Gut."

Einen Sanktionscharakter hätten nicht nur Verurteilungen vor Gericht, sondern auch Ombudsstellen oder die Rügen, die etwa der Österreichische Presserat als Selbstkontrollorgan der Branche ausspricht – auch wenn mit der Kronen Zeitung, Heute und Österreich jene Zeitungen die Mitgliedschaft verweigern, die am häufigsten gerügt werden. "Solange es eine kritische Community gibt, haben solche Verurteilungen ihre Wirkung" , sagt Holoubek. "Das trägt zur Bewusstseinsbildung bei, indem ein Wert etabliert wird, an den man sich halten soll."

Regulierung in der Branche

Wichtigster Beitrag des Rechts sei, Presse- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten und eine pluralistische Medienlandschaft zu garantieren: "Das System setzt darauf, dass sich hoffentlich guter Journalismus durchsetzt."

Die jetzigen Regeln hält er zwar für ausreichend, auch wenn man über Nachschärfungen "immer nachdenken" könne – etwa bei der Bildberichterstattung im Urheberrecht; denn: "Journalismus unter scharfe Sanktionsdrohungen zu stellen kann zwar gegen Manipulation helfen, kann aber auch ein Instrument sein, um unliebsame Berichterstattung abzustellen." (Oliver Mark, 4.10.2016)