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Die bosnische Ortschaft Gornja Maoča gilt seit 20 Jahren als Salafisten-Hochburg auf dem Balkan. Dort haben Einwohner im vergangenen Jahr eine IS-Flagge über einem Haus gehisst.

Foto: REUTERS

Er wurde erst im August in der Aktion "Damaskus" von der bosnischen Sonderpolizei Sipa verhaftet und vergangene Woche in Sarajevo wegen terroristischer Aktivitäten angeklagt: Nedzad Mujić wird vorgeworfen, immer wieder nach Syrien gefahren zu sein und dort die Terrororganisation "Islamischer Staat" auch finanziell unterstützt zu haben. Zuletzt soll er den Kämpfern 10.000 Euro überreicht haben. Von September 2013 bis Mitte 2015 soll der heute 57-Jährige von Österreich aus mehrmals nach Syrien geflogen sein.

Die Wien-Connection ist kein Zufall. Mujić wurde in der Nähe der ostbosnischen Stadt Zvornik geboren, wird "Abu Mubarak" genannt und besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Nachdem die bosnischen Behörden bereits vor einigen Jahren begonnen hatten, die "Jihad-Flieger" von Sarajevo in die Türkei schärfer zu überwachen, wichen die Salafisten vom Balkan zusehends auf andere Städte aus, um als Kämpfer für Terrororganisationen in den Irak oder nach Syrien zu gelangen.

Bessere Koordination zwischen Sicherheitsdiensten

Dass Mujić gefasst wurde, hat auch mit der verbesserten Arbeit der Polizei zu tun. Der bosnische Sicherheitsexperte Vlado Azinović spricht von einer "steigenden Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste" gegenüber den extremistischen Salafisten. "Es gibt auch mehr Koordination zwischen den verschiedenen Sicherheitsdiensten auf der nationalen Ebene und einen intensiveren Austausch von Informationen innerhalb der Region und international."

Etwa 200 Bosnier gingen bisher als Kämpfer in den Irak oder nach Syrien, 80 Prozent davon waren Männer, ein Drittel hatte einen kriminellen Hintergrund. Es gibt immer mehr Hinweise, dass viele dieser Bosnier mittlerweile im Kampf gestorben sind. Einige sind allerdings wieder zurückgekehrt, und die Sicherheitsbehörden sind besorgt, dass sie auch in Bosnien-Herzegowina terroristische Taten vollziehen könnten. In Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es deshalb mittlerweile eigens auf diese Kämpfer spezialisierte Einheiten.

Seit der Verschärfung gibt es eine klarere Vorgehensweise bei strafrechtlichen Untersuchungen und der Verfolgung von Terrorverdächtigen samt ihren Netzwerken. Bosnien-Herzegowina war das erste Land in der Region, das im Juni 2014 die Teilnahme von Bürgern an Kriegen im Ausland unter Strafe stellte. "Mehr als 20 Personen wurden bisher wegen ihrer Beteiligung an Terrorgruppen in Syrien und dem Irak oder für deren Rekrutierung und Finanzierung verurteilt. Ich würde sagen, dass wir da ziemlich erfolgreich waren", sagt Azinović. "Seit 2016 sind keine Bosnier mehr nach Syrien oder in den Irak gegangen."

Hartes Vorgehen im Kosovo

Am schärfsten gehen die Behörden im Kosovo gegen Kämpfer vor, die für den "Islamischen Staat" Propaganda machen oder in den Krieg ziehen. So wurde im April ein Mann zu sieben Monaten Haft verurteilt, weil er auf Facebook den IS beworben hatte. Insgesamt wurden im Kosovo seit dem Vorjahr 100 Personen verhaftet, mehr als 50 stehen deshalb vor Gericht. Der Staat geht so hart gegen die Extremisten vor, wie es angesichts der rechtsstaatlichen Standards in EU-Staaten wahrscheinlich gar nicht möglich wäre.

Als Hochburg radikaler Salafisten auf dem Balkan gilt seit 20 Jahren das bosnische Gornja Maoča. Sämtliche Wahhabiten, die Straftaten begingen, waren irgendwann einmal in Gornja Maoča. Im Vorjahr hissten Bewohner die IS-Flagge über einem Haus. Nach dem Bosnien-Krieg 1992–1995 hatten sich ausländische Mujaheddin in dem Ort angesiedelt, die Kontakte der Wiener Salafistenszene zu Gornja Maoča sind traditionell eng.

Feriensiedlungen für arabische Touristen

Den Bosniern macht aber auch der rasant wachsende Einfluss arabischer Investoren vom Persischen Golf Sorgen. In der Umgebung von Sarajevo wurden in der vergangenen Monaten zahlreiche Grundstücke erworben, auf denen Feriensiedlungen für arabische Touristen entstehen. Eines der Vorzeigeprojekte ist in Trnovo die "Ozone City" des Unternehmens Buroj aus den Vereinigten Arabischen Emiraten um insgesamt zwei Milliarden Euro. Tausende Araber sollen dort in Zukunft die frische Luft, die grünen Wälder und das Wasser genießen.

Seit Monaten kommen zehntausende Araber nach Bosnien-Herzegowina auf Urlaub. Pro Woche landen regulär 21 Maschinen vom Golf in Sarajevo. Das Straßenbild der bosnischen Hauptstadt ist von Familien mit einem Mann und zwei, drei Frauen im Niqab geprägt. Die "Ninjas" – so werden die vollverschleierten Frauen etwas abfällig nach den vermummten japanischen Kämpfern benannt – sind Thema Nummer eins. Dahinter stecken verschiedene Ängste.

Vollverschleierte in Herzegowina attackiert

Erstens fürchten sich vor allem liberale Muslime und säkulare, orthodoxe und katholische Bosnier, dass die salafistische Auslegung des Islam, wie sie in einigen arabischen Staaten betrieben wird, stärker Fuß fasst. In der Herzegowina wurden bereits vollverschleierte Araberinnen von Einheimischen attackiert. Zweitens haben die Bosnier die Sorge, dass die in weiten Teilen des Landesteils Föderation herrschende bosniakische SDA – und damit auch ein Teil der offiziellen Islamischen Glaubensgemeinschaft – wegen der engen Geschäftsbeziehungen die Augen gegenüber radikalislamischen Phänomenen schließt und verschweigt, welche Probleme damit einhergehen.

Drittens ist jeden Tag zu beobachten, wie bosnische Salafisten mit den typischen kurzen Hosen und langen Bärten arabische Touristen vom Flughafen abholen und teils in ihren eigenen Häusern unterbringen. Es besteht die Sorge, dass sie mit den arabischen Touristen sehr viel Geld verdienen, das sie für den Ausbau extremistischer Netzwerke nutzen könnten.

Azinović bestätigt, dass die lokalen Salafisten als Fahrer, Touristenführer und Grundstücksmakler für eine immer größere Zahl an Arabern arbeiten. "Tourismusgeschäfte, die diesen Zustrom arabischer Touristen unterstützen, sprießen hier wie Pilze aus dem Boden und bringen vielen Salafisten-Familien eine bedeutende Einkommensquelle, vor allem jenen, die in die großen Städte gezogen sind." Der Experte sagt aber auch, dass "nichts Illegales" geschehe und also auch kein Grund bestehe, weshalb die Islamische Glaubensgemeinschaft reagieren sollte. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 5.10.2016)